Abgeschickt von Peter Niemann am 12 April, 2013 um 18:04:37
Ein Diskussionsbeitrag aus Außenseitersicht.
(Siehe meine Forumbeiträge ab 2011)
Die Erkenntnis der Physiker, daß bei einer Verdünnung von D23 kein Molekül der Urtinktur mehr im homöopathischen Medikament sein kann, hat sich allgemein durchgesetzt und allmählich auch, daß Wasser nicht in der Lage ist, Information im Sinn der Homöopathie zu übermitteln. Aber wie kommen die Heilerfolge zustande ?
Anscheinend haben die Homöopathen nur auf sehr indirekte Weise recht, wenn sie glauben, ihr Medikament heilt. Ursache für nicht bezweifelbare Heilerfolge ist nicht das Medikament, sondern allein der Glaube daran, der vom Patienten geradezu gesucht wird, egal ob die Begründung eine wissenschaftliche, pseudowissenschaftliche, die begrenzte Schulweisheit oder einfach nur ein Wir-wissen-es-nicht,-haben-aber-die-Erfahrung-gemacht ist. Neben der Homöopathie läßt sich noch eine Vielzahl anderer Heilangebote finden, deren Wirksamkeit allein auf dem Glauben daran beruhen dürfte. Damit verlagert sich die Frage ganz und gar von der materiellen auf eine geistige Ebene.
Wurde eine Krankheit, die durch den Glauben an etwas geheilt werden kann, auch durch den Glauben an etwas verursacht ?
Kann ein Mensch durch einen Irrtum auf einer sehr elementaren Ebene der Erkenntnis der Wirklichkeit krank werden ? Ich glaube ja. Kann er durch die Richtigstellung des Irrtums geheilt werden ? Ich glaube ja. (Siehe Forumbeitrag "Brief an Wolfgang D. aus der DDR - den gibt es wirklich" vom 4.4.2012).
Das ist wohl das Grundprinzip einer Psychotherapie. Aber ein Plazebo enthält keine Information - und heilt trotzdem. Wie ist das zu erklären, wenn man die Vermutung von Irrtum und Korrektur beibehalten will ?
Wenn die stimmt, würde das übrigens bedeuten, daß Doppelblindstudien über den Plazeboeffekt, also auch über die Homöopathie, kein sinnvolles Ergebnis liefern können, da die unbewußte Vorgeschichte des Patienten, die bis in die frühe Kindheit, ja bis in genetische Informationen hineinreicht, nicht erfaßbar ist !
Ein Plazebo heilt immer, wenn man sehr fest und tief daran glaubt, überhaupt geheilt werden will und die Krankheit tatsächlich durch eine Falschinformation verursacht wurde. Eine provokante These ?
Man darf wohl davon ausgehen, daß für den Aufbau oder die Wiederinstandsetzung eines biologischen Systems zutreffende Erkenntnisse über die Wirklichkeit benötigt werden. Woher soll ein Mensch die bekommen ? Siehe Forumbeitrag "Gefühl und Verstand" vom August 2011.
Gefühle sind also unbewußte Informationen und Willenshaltungen als Ergebnis von Erfahrungen in früheren Lebensaltern des Individuums und der Art (S. Hoimar von Ditfurth: Apfelbäumchenbuch S.305). Kann es bei deren Aufbau zu Irrtümern kommen ?
Selbstverständlich. Z.B. könnte man zwischen wiederholt zeitlich aufeinanderfolgenden Erfahrungen einen kausalen Zusammenhang vermuten, der nicht besteht. Oder ein Mensch wird in ein Milieu hineingeboren, in dem Anschauungen als selbstverständliche Wahrheiten gelten, die keineswegs selbstverständlich sind.
Wenn über die Richtigkeit einer erworbenen Erkenntnis gravierende Zweifel aufkommen, wird der biologische Entwicklungsschritt, z.B. ein Heilungsvorgang, für den die Erkenntnis benötigt wird, aus Sicherheitsgründen automatisch (unser Gehirn ist klüger als wir glauben) oder bewußt gestoppt (S. "Brief an W . . ."). Der Patient möchte aber den Vorgang fortsetzen und sucht nun - mit Gefühl und Verstand - nach einem Weg, an den er aufgrund neuer Erfahrungen oder von Auskünften aus sehr vertrauenswürdiger Quelle sehr fest glauben kann. Findet er den, wird die subjektive Informationslage korrigiert oder auf null zurückgesetzt und die Blockade aufgehoben. Jetzt kann das der höchsten Sicherheitsstufe unterworfene GENETISCHE Programm ("Selbstheilungskräfte") den Heilungsprozeß fortsetzen, wenn auch ohne Update.
Das alles gilt sowohl für physische als auch für psychische Gesundheitsdefizite.
Soweit mein Plazebo-Erklärungsversuch (Blockadehypothese). Er stammt aus eigener Erfahrung. Wissenschaftliche Forschungsergebnisse dazu sind mir nicht bekannt.
Wenn man aber ein Plazebo als solches outet, nimmt man ihm die Wirkung und damit vielen Menschen die für sie vielleicht einzige Möglichkeit, ihre Krankheit zu heilen. Könnte das den seltsam hartnäckigen Widerstand der Homöopathieanhänger gegen ihre Gegner erklären, alle kommerziellen Gesichtspunkte mal ausgeklammert ?
Kann man natürliche Heilkräfte auch auf ehrliche Weise, also ohne den Umweg über das Plazebo aktivieren ? Gibt es überhaupt die evolutionär und individuell erworbene Selbstheilungsfähigkeit bei Mensch, Tier und Pflanze ?
Zweifellos. Der lebende Organismus ist ein sich selbst organisierendes System, entfernt vergleichbar einem demokratischen Staatswesen, dem man - nicht nur bei der Heilung einer Bagatellverletzung - in beträchtlichem Umfang vertrauen kann. Hin und wieder ist ein Update zur Integration neuer Erkenntnisse erwünscht, und wahrscheinlich hängt das Aktivierungspotential eines Reparatur- und Entwicklungsprogramms auch davon ab, ob man es haben WILL - keine Selbstverständlichkeit - und wie tief man daran GLAUBT, bewußt und unbewußt. Wie im Fall der Willensfreiheit. Wer nicht an sie glaubt, verliert sie, denn es wäre ja unökonomisch, Mühe auf etwas zu verwenden, was es garnicht gibt. (Siehe Forumbeitrag "Willensfreiheit",7.9.2011)
Man müßte also eine Erkenntnis oder Vermutung finden, die schwerer wiegt als der (unbekannte) Irrtum, der die Krankheit verursacht hat. Die darf unspezifisch sein, da es ja nur darauf ankommt, eine Falschinformation zu löschen (Blockadehypothese immer noch vorausgesetzt). Damit wird aber nun erneut jedem beliebigen Glaubensinhalt Tür und Tor geöffnet. Dann kann man auch gleich an die geistartigen Kräfte der weißen Kügelchen glauben. Warum eigentlich nicht? Weil es nicht die Wahrheit ist ? Aber wenn ein kranker Mensch gesund dadurch wird . . . ?
Mit Blick auf die Zukunft ist zwar jede Irrlehre abzulehnen, damit die Erkrankung garnicht erst eintritt, aber diese Erkenntnis nützt dem jetzt Heilungsbedürftigen nicht. Allerdings kann eine durch die Heilung bekräftigte Unwahrheit zu einer neuen Krankheit in der Zukunft führen.
Die Heilung über ein Plazebo muß man nicht unbedingt als Umweg sehen. Denn der Vorgang verbleibt im unbewußten Bereich, während er bei einer Psychotherapie von dort herausgeholt, bearbeitet, und wieder zurücktransponiert werden muß.
Wegen der aus welchen Gründen auch immer erzielbaren Heilerfolge kann von alternativen Behandlungsmethoden nicht grundsätzlich abgeraten werden. Gefährlich wird es, wenn im Vertrauen auf das Plazebo eine notwendige Schulbehandlung unterbleibt - aber auch wenn eine risikoreiche Schulaktivität einer aussichtsreichen Alternativbehandlung vorgezogen wird.
"Schul"- und "Alternativ"medizin sollten zu einer einheitlichen Disziplin zusammengeführt werden, von der der mündige Patient sich beraten lassen kann ohne seine Eigenverantwortung an eine Person oder ein Mittel abzugeben.
Peter Niemann
10178 Berlin