Abgeschickt von Heinz Boente am 26 Maerz, 2007 um 12:26:38
Liebe Forumsteilnehmer,
manchmal weiß ich gar nicht, warum wir uns hier im Forum Sorgen um die Zukunft der Menschheit oder unseres Planeten Erde machen. Alles halb so schlimm! Das ZDF (zur Erinnerung: dort liefen seinerzeit mal die 'Querschnitte' von Hoimar von Ditfurth, ich fasse es nicht!) weiß schließlich Bescheid. Und deshalb serviert es uns Sonntag abends auch den visionären Dreiteiler "2057 - Unser Leben in der Zukunft".
Das ganze pseudowissenschaftliche Elend scheint eine Auftragsarbeit der Bundesregierung zu sein, so nach dem Motto: Seien wir doch nicht immer so entsetzlich negativ, zeigen wir den Menschen stattdessen, wie schön das Leben in fünfzig Jahren wird, lieber Herr Schächter (Anm. d. Verf.: Intendant des ZDF), kümmern Sie sich doch mal darum! Und Herr Schächter hat sich tatsächlich gekümmert, indem er sich flugs mit diesem hanebüchenen Fiction-Dreiteiler (das 'Science' lasse ich mal lieber weg) noch weit unter das Niveau der sogenannten Wissenschaftssendungen in deutschen Volksverblödungssendern begibt.
Die Autorin dieser dreiteiligen Peinlichkeit, Meike Hemschemeier, hat dann auch tatsächlich mal einigen Wissenschaftlern über die Schulter geschaut und deren Forschungen mehr oder weniger zusammenhanglos, aber dennoch völlig ungeniert in die nähere Zukunft projiziert. Ein äußerst dünnes Eis, auf das sie sich begeben hat, in der Tat, denn "Prognosen sind schwierig, vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen" so ein bekanntes Zitat des dänischen Physikers und Nobelpreisträgers Niels Bohr.
Und was dabei herausgekommen ist, übertrifft dann auch tatsächlich meine schlimmsten Befürchtungen. Statt wissenschaftliche Lösungen aufzuzeigen, wie man die heute bestehenden oder sich überdeutlich abzeichnenden Probleme der Menschheit in den Griff bekommen könnte - jawohl, solche Lösungsansätze gibt es nämlich, auch wenn sie von den verantwortlichen Politikern geflissentlich ignoriert werden - serviert man dem staunenden Fernsehzuschauer (ich bitte, das 'staunend' durchaus doppelsinnig zu verstehen) fliegende Autos, Hologramme für Computerspiele und Werbung (!), Organe aus dem Tintenstrahldrucker, die vollständige Vernetzung der Städte, totale Überwachung des Individuums, mitdenkende Kleidung und weitere technische Trivialitäten, auf die unsere Spaßgesellschaft wohl nur gewartet hat, fürchte ich. Lauter Dinge, die dem mehr oder weniger unbedarften Zuschauer eine schöne, neue, bunte Welt suggerieren sollen, die sich aber einem denkenden Menschen nach wenigen Sekunden als wahre Horrorszenarien darstellen, auf die nicht einmal ein George Orwell gekommen ist.
Kein noch so kleiner Hinweis auf die Probleme, welche die tollen Annehmlichkeiten dieser schönen neuen elektronischen Plastikwelt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verhindern werden: Überbevölkerung, Energie- und Rohstoffknappheit, Luft- und Wasserverschmutzung, Klimawandel, Glaubenskriege und Terrorismus, Massenarbeitslosigkeit, Artensterben... und, und, und.
"2057 - Unser Leben in der Zukunft" könnte ich als Science-Fiction-Serie (dann aber bitte mit einer durchgehenden Handlung und mit ein bißchen mehr 'Action') ja sogar fast noch durchgehen lassen, aber das als Quasi-Dokumentation zu verkaufen, ist schon keine Volksverdummung mehr, sondern eine fast schon gefährlich zu nennende Fernsehsendung, die an Peinlichkeiten, Fehlinformationen, unlogischen Schlußfolgerungen und Schönfärberei nicht mehr zu überbieten ist. Das ganze filmische Elend eingepackt in müde, einfältige Stories auf allerunterstem Privatsender-Niveau und zu allem Überfluß auch noch moderiert von einem smarten Frank Schätzing, der Schwarm (!) vieler Thriller-Freunde (man muß ja beinahe schon froh sein, daß es Menschen gibt, die überhaupt noch Bücher lesen), der seine Ahnungs- und Kritiklosigkeit - zugegebenermaßen - recht geschickt durch sein vertrauenerweckendes Auftreten zu überspielen in der Lage ist (wer pseudowissenschaftliche Bestseller schreibt, kennt sich ja auf jeden Fall aus).
Den ersten Teil dieser fürchterlichen Fernsehentgleisung eines bisher von mir immer noch für einigermaßen seriös gehaltenen öffentlich-rechtlichen Senders habe ich mir noch zur Gänze angetan und den zweiten Teil habe ich gestern Abend tapfer 20 Minuten lang ertragen. Eines weiß ich aber mit Sicherheit: solch einen pseudowissenschaftlichen Schwachsinn muß ich nicht haben, am nächsten Sonntag bleibt mein Fernsehgerät von 19:30h bis 20:15h ganz bestimmt ausgeschaltet. Das spart dann wenigstens noch ein bißchen Strom (und zusätzlich mir persönlich eine Menge Energie, weil ich mich dann nicht ärgern muß).
Sollten diese Visionen tatsächlich Wirklichkeit werden, was ich angesichts der heutigen Situation auf unserer Erde allerdings für höchst unwahrscheinlich halte, bin ich richtig froh, daß ich das Jahr 2057 nicht mehr erleben werde.
Ich bin gespannt auf weitere Meinungen. Inzwischen gehe ich dann mal eben noch ein weiteres Apfelbäumchen pflanzen.
HB