Abgeschickt von Walter Keil am 25 Mai, 2007 um 17:14:14
Antwort auf: Re: Kreationistische Entgleisungen von Heinz Boente am 25 Mai, 2007 um 09:30:40:
Hallo Herr Boente,
Woher nehme ich meinen Optimismus ?
Nun, es ist eigentlich kein Optimismus im üblichen Sinn, sondern die Betrachtung der Vergangenheit bringt mich zu dem Schluß, dass
der Mensch einer Entwicklung unterliegt, die maßgeblich von der Qualität seiner Gemeinschaft
und deren geistigen Niveau abhängt. Diese Gemeinschaften verknüpfen sich gerade weltweit.
Diese gemeinschaftlichen Qualitäten werden wesentlich durch geschichtliche Prozesse geformt.
Aber natürlich auch durch die Entwicklung der einzelnen Menschen.
Wenn uns große Probleme in der Zukunft erwarten, dann sehe ich das eben auch als eine Lehrzeit für die Menschheit, wie sie zum wiederholten Male passiert.
Umweltkatastrophen, grassierende Seuchen, Hunger und Elend also lösen aus Verzweiflung immer ein verstärktes Miteinander aus. Große Probleme kann der Mensch eben am besten in der Gemeinschaft angehen. Wohlstand und günstige Umweltbedingungen
lösen dagegen Neid und Misgunst und Vereinzelung aus. Daneben ist der einzelne nicht mehr so stark auf funktionierende Gemeinschaften angewiesen, so dass diese ihre solidarischen Kräfte teilweise verlieren. Diese gesellschaftlichen Phänomene kann man in der Geschichte der Nachkriegszeit gut erkennen. So hat aus den Lehren der Nazizeit
eine große Bevölkerungsmehrheit ihre Schlüsse gezogen. So lange diese dunkle Vergangenheit lebendig gehalten wird, hat sie nur bei Unbelehrbaren und noch immer Unwissenden eine Wiederkehrchance.
Nun warum wiederholt sich die Geschichte doch immer wieder und warum scheint die Menschheit nichts zu lernen ?
Weil die geistige Sphäre eben noch nicht soweit gewesen ist. Die nachfolgenden Generationen haben geschichtliches Wissen eben nicht genetisch vererbt bekommen, es muss neu erworben werden.
Wenn ich eben nichts über die Nazis weiß, können solche Weltbilder u.U. erneut bei jungen Leuten Fuß fassen.
Aber Wissen und geschichtliches Wissen steht nun immer einfacher und schneller zur Verfügung.
Was wir hier diskutieren wäre vor 10 Jahren noch nicht möglich gewesen. Ich hätte keinen Kontakt zu Menschen knüpfen können, die von Hoimar v.D. wesentlich beeinflusst wurden. Es wäre zwar immer möglich gewesen, Menschen kennen zu lernen, die das eine oder andere Buch gelesen haben, aber ob Sie eine neue Weltsicht für sich daraus gewonnen haben, wäre wohl sehr selten gewesen.
So dass, ich, wie erlebt, immer eine extrem eigene
Position vertreten musste und keine HvD-Anhänger in meinen Umfeld fand.
Diese geistige Sphäre erweitert sich mit dem Internet und anderen eletronischen Medien in zunehmenden Tempo !!!
Google, Wikipedia, auch Ebay sorgen schon fast total global für schnellen Zugriff auf Informationen. Natürlich auch einzelne Webseiten, wie beispielsweise die HvD-website. 50% der Deutsche sind in etwa zur Zeit bereits online. Die Gestaltungsmacht der Medienkonzerne schwächt sich ab.
Der Computer und das Netz erlangen eine ungeahnte Bedeutung und das obwohl traditionelle Kräfte die Inhalte und den Zugriff gerne bestimmen möchten.
Aber die Vorteile überwiegen einfach für alle Gesellschaften, meiner Meinung nach.
Nun, abschließend: wenn die Katastrophen der Geschichte der Menschheit ausreichend und beliebig schnell als Information zur Verfügung stehen, kann einfach die Dummheit besser bekämpft werden.
Nochmal ein paar Worte zu Religion und zu Ritualen:
Ich persönlich habe regelmäßig Umgang mit Lungenkrebspatienten. Viele haben ganz schlechte
Prognosen. In Gesprächen, die ich als Taxifahrer mit Ihnen führe, erfahre ich auch etwas über die geistige Einordnung ihrer Existenz in die Wirklichkeit, sprich, über Ihren Glauben.
Dabei habe ich festgestellt, dass ganz einfache Leute tiefe philosophische Gedanken entwickeln.
Und das auch oft fernab einer traditionellen religiösen Überlieferung. Man hat fast den Eindruck von ein bißchen Christentum, etwas chinesische Philosophie, etwas Buddhismus und etwas Naturwissenschaft - kaum radikalen Atheismus. Die private religiöse Meinungsbildung findet doch schon statt ! Ich habe etwa 1 von 50 Patienten der in dieser persönlichen Katastrophe
sich als überzeugter Christ, Zeugen Jehovas oder
Buddhist oder sonst was outet. Diese auch von Ihnen geführten Angriffe auf die Kirchen sehe ich
zwar zu weiten Teilen als gerechtfertigt an, aber
halte sie eher für unwesentlich, da die tatsächliche Macht der Kirchen und auch der hier mal wieder genannten Kreationisten weit aus geringer ist, als man hier vermuten könnte.
Etwas anderes ist es mit dem Islam, der meiner Meinung nach das nächste Opfer der geistigen Auseinandersetzung der globalen Welt werden wird.
Ich persönlich halte nun das Entstehen einer globalen Religion für äußerst denkbar.
Religiöse Gefühle scheinen ja fast niemand fremd zu sein, auch im Sozialismus tauchte ein Kult- und Ritualleben auf, dass Menschen einschwor.
Rituale sind sicherlich auf vielen Feldern des Lebens alltäglich und dienen offensichtlich einer gemeinschaftlichen Prägung. (Gehirnökonomie)
Ich persönlich glaube,
ein wesentlicher Inhalt der nächsten Religion wird
die evolutionäre Bindung an das Universum, die Welt der Naturgesetze und deren Begrenztheit (z.Bsp. in der Quantenphysik) mit weiterhin märchenhaften Vorstellungen verbinden.
Gemeinsame Vorstellungen über die Gesamtheit der Wirklichkeit, die den einzelnen weiterhin aufwerten, (Demokratisierungen) und neue hoffentlich globale Zusammengehörigkeiten etablieren, sind die wohl vorgegebene Richtung.
Die Führer dieser Welt und auch die der Religionen
werden von unten aus der Bevölkerung heraus zu neuen Haltungen gezwungen.
In Amerika ist eine starke New Age - Richtung entstanden, die mir teilweise sehr sympathisch ist. Deren kommerzielle und teilweise GURU-Cliquen-Organisation mir sehr misfällt.
Stichwort im Netz: evolutionary enlightment.
Mit freundlchen Grüßen
Walter Keil
Anmerkung: Wissenschaftler liegen sich bei gleicher Qualifikation in der finalen Frage oft diametral gegenüber.