Abgeschickt von Egon de Neidels am 18 Januar, 2008 um 23:26:56:
Antwort auf: Re: Der Beginn des Universums-Zufall oder Absicht? von Heinz Boente am 18 Januar, 2008 um 15:13:04:
Liebe LeserInnen,
hier meine kurzen Gedankensplitter über den Zufall:
„Des weiteren sah ich unter der Sonne: Nicht die Schnellen gewinnen den Lauf und nicht die Helden den Krieg, nicht die Weisen Brot und nicht die Klugen Reichtum und nicht die Beständigen Gunst, sondern alles kommt an auf Zeit und auf Glück.“ (Kohelet (Prediger) 9, 11)
Es gibt ihn ja, diesen „Gott der Narren“, wie es einem „Controverskatechismus“ aus dem 19.Jahrundert zu entnehmen ist – es gibt den Zufall. Und wir sollten froh darüber sein, dass „Gott würfelt“, denn sonst wären wir befangen in einem Weltbild einer vergangenen Physik, in denen Gott - oder wer oder was auch immer - nichts anderes als der Laplacesche Dämon wäre, der ein Welttheaterstück inszenierte, das nach festem Textbuch einem himmlischen Shakespeare alle Ehre machen würde, der Realität aber nicht entspräche. Unter Anwendung von Occams Rasiermesser ist überdies ironischerweise alle Transzendenz in einem nur deterministisch und kausal gedachten Weltbild nur noch eine „Hypothese“ derer man nicht bedarf – wie Laplace seinem Kaiser zu sagen pflegte.
Doch schon die Thermodynamik lehrt, dass der Naturverlauf kein Programm ist, das man vor- oder zurückspulen könnte und die Evolution der Lebewesen bekräftigt derlei zutiefst (was der Kreationist, der sich erst zufrieden gäbe, wenn ihm im Labor ad okulus transspezifische Evolution unter Urbedingungen demonstriert würde, nicht begreifen will – darauf hat schon Hoimar von Ditfurth in seinem Buch „Im Anfang war der Wasserstoff“ hingewiesen). Aber die tiefste Erschütterung des Vertrauens in eine ausschließlich kausal-determinierte Weltsicht wurde durch die Quantenphysik Werner Heisenbergs ausgelöst, gegen deren revolutionäre Erkenntnisse sich sogar ein anderes Genie der modernen Physik – der große Albert Einstein – lange sträubte. Die Lokal- und Impulsunschärfe der Elementarteilchen ist selber elementar und nicht auf vielleicht unzureichende Messtechnik zurückführbar. Gleichwohl wirkt all das in der Welt und ist nicht bloß mathematische Erkenntnis. Das aber bedeutet nichts anderes, als die Tatsache einer unserer Erfassbarkeit übersteigenden Wirklichkeit, denn was wir erfassen, ist z.B. nicht das Atom, sondern das, was wir bekommen, wenn wir es zerstören. Wir leben „nach der Dekohärenz“ und können die Welt „vor der Dekohärenz“ nicht erfassen, obwohl wir von ihrer Existenz wissen. Am Rande sei vermerkt, dass die typischen Quantenphänomene bei Objekten bis zu 60-atomigen Fullerenen beobachtet wurden, was u.U. ein neues Licht auf das Mutations- und Selektionsgeschehen in der Evolution werfen könnte.
Ich mag das Wort „Zufall“ nicht, es ist mir ein verstaubtes und abgegriffenes Wort, befrachtet mit Polemik und Fatalismus. Nicht „Zufall und Notwenigkeit“ sondern Freiheit und Bedingtheit stellen sich mir als dialektisch verschränktes Begriffspaar als Urgrund der uns zugänglichen Dynamik der Natur dar, das freilich auch mit größtmöglichem Erkenntnisaufwand letztlich Hirnkonstrukt (das Bild von Welt, in der wir leben – frei nach HvD) bleibt, denn aus unserer Intersubjektivität vermag unsere Spezies nicht auszubrechen. (Das mag anderen vorbehalten sein.) Selbst unser Wissen von unseren fünf Hirnen ist ja ein Hirnkonstrukt, so dass wir das „wirkliche Gehirn“ nicht kennen. An dieser Stelle ist mir dann doch etwas unwohl, wenn ich an den neurobiologischen Determinismus z.B. eines Wolf Singer denke; Laplacescher Dämon ante portas in der Hirnforschung? Ist Bewusstsein – wie ich es lange annahm – wirklich nur ein Produkt neuronaler Aktivitäten?
Als James Watt seine Dampfmaschine konstruierte, konnte er das nur, weil er u.a. Wissen über Räder, Hebel, Gefäße und das Verhalten erhitzter Gase kannte und dieses in seinem Gehirn kombinierte. Diese Kombinationen stellen Aktivitäten im assoziativen Cortex dar und sind nichts Übernatürliches. Wenn wir uns spaßeshalber einmal erkühnen, im Universum etwas ähnliches wie ein Supergehirn zu sehen, so könnten wir Evolution auch als ein Kombinieren auf anderer, kosmischer Ebene verstehen. Dabei spielen Unschärfen eine große Rolle, denn sie erlauben ja die Freiheitsgrade, die ein freies Schaffen ermöglichen. Im Umkehrschluss würde das bedeuten, dass jenes o.g. „wirkliche Gehirn“ nicht kausal-deterministisch beschränkt wäre.
So mündet meine kleine Betrachtung dann in einer Ergebnisoffenheit, die hoffentlich nicht nur Negatives für uns in der Zukunft bereithalten möge. Vielleicht deuten die großen Schatten unserer Zeit ja auch auf ein großes Licht hin.
Mit freundlichen Grüßen
Egon de Neidels