Re: Ein weiterer Apokalyptischer Reiter


[ Antworten ] [ Ihre Antwort ] [ Forum www.hbgl.net ]

Abgeschickt von Heinz Boente am 21 Dezember, 2008 um 11:06:07

Antwort auf: Re: Ein weiterer Apokalyptischer Reiter von Walter Keil am 21 Dezember, 2008 um 00:00:47:

Hallo Herr Keil,

ja, das stimmt, ich schreibe mir etwas von der Seele und das resultiert aus meinen täglichen Beobachtungen. Wir hatten irgendwann hier im Forum - im Zusammenhang mit Umwelt und Ökologie - schon einmal die Frage erörtert, wie ein "Zusammenbruch" als solcher wohl aussehen könnte. Sicherlich ist das kein Inferno, wie es bei einem Einsatz von Nuklearwaffen zu erwarten wäre, sondern viel mehr ein allmählicher Prozeß. Auch der Zusammenbruch des Kommunismus/Sozialismus hat ja nicht zu einem totalen irdischen Chaos geführt.

Sie haben recht: es existieren gewachsene Strukturen, wir denken viel globaler als früher, es gibt unzählige internationale Vernetzungen und übergeordnete Institutionen (EU, UN, Wirtschaftszusammenschlüsse, ja, auch multinationale Konzerne zähle ich dazu), die einen scheinbaren Zusammenhalt und eine gewisse Regenerationsmöglichkeit suggerieren. Dennoch erleben wir mehrere solcher allmählicher Prozesse ja gerade! Scheinbar stabile Systeme erweisen sich als nicht mehr trag- und funktionsfähig, ich denke in diesem Diskussionsfaden zwar in erster Linie an die "internationale Finanzmärkte" genannten Seifenblasen, aber natürlich auch an den Klimawandel und die Bevölkerungsexplosion. Ja, auch die Bedrohung durch religiösen Fundamentalismus und paranoide Angstzustände gehören dazu (denken Sie z. B. an das bevorstehende Raketenabwehrsystem in Osteuropa, das die USA installieren will). Menschenrechtsverletzungen, Bildungsferne, Ressourcenknappheit und, und, und. Jedes einzelne dieser Probleme wäre mit gemeinsamer Anstrengung sogar lösbar, aber in der Kombination sind sie, so denke ich, in der Tat tödlich! Wie gesagt, der Zusammenbruch ist ein langsamer Prozeß, obwohl einzelne, besonders offensichtliche Mißstände ja auch immer wieder durch gemeinsame Anstrengungen beseitigt, sagen wir lieber: abgeschwächt werden, aber das ändert meiner Meinung nach nichts an der Tatsache des Niedergangs. Wir sind mittendrin!

Solange unsere beiden Maximen 'Wachstum' und 'Wettbewerb' lauten (für die Einhaltung und Durchführung des letzteren gibt es sogar spezielle nationale und internationale Kommissionen!) und nicht 'Stabilität' und 'Miteinander', so lange rollt der "Karren Erde" unaufhaltsam dem Abgrund entgegen.

Denkbar sind viele Lösungen, der Mensch ist ein kreatives und phantasiebegabtes Wesen, aber an der Ausführung hapert es! Und hier ist in der Tat die Politik gefordert. Dennoch, ich will's mal etwas überspitzt ausdrücken: wer als Handwerker bei jemandem nur einen Nagel in die Wand schlagen will, braucht mindestens einen Gesellenbrief, der nachweist, daß er das Handwerk des Nageleinschlagens auch wirklich beherrscht. Wer hingegen nur laut genug redet und die entsprechenden Beziehungen (in manchen Ländern genügend Geld oder Sponsoren) hat, kann morgen Politiker sein. Das heißt, unsere Politik wird von Leuten gemacht, die null bis wenig Ahnung haben, von dem, wofür sie von uns bezahlt werden. Dabei gibt es Experten zu Hauf, sogar welche, die nicht nur einen Gesellen-, sondern sogar einen Meisterbrief besitzen, man hört nur nicht auf sie, sondern, trifft politische, wirtschaftliche, finanzielle, ökologische Entscheidungen, deren Abhängigkeiten und Folgen man nicht mehr überschauen kann. Man mauschelt politisch irgendwie vor sich hin, erläßt Gesetze, die sich nachher als verfassungswidrig herausstellen, nimmt an "Gipfeltreffen" teil, bei denen nichts als lauwarme Luft in Form von faulen - sehr faulen, weil meist kurzdenkerischen! - Kompromissen herauskommt, und sichert im Großen und Ganzen eigentlich, Sie sagen es, nur seine eigenen Pfründe.

Es bedürfte eines wirklich radikalen Umdenkens in allen Lebensbereichen. Nicht nur in Wirtschaft und Politik, sondern in erster Linie "hier unten" bei uns Menschen, die man auch "die Wähler" nennt. Aber selbst das ist eine Farce, denn das System hat sich selber gegen den Wählerwillen prima abgesichert. Demokratie heißt ja bekanntlich: "das Volk regiert" oder anders ausgedrückt: "die Mehrheit gewinnt". Ach ja? Wenn die Mehrheit (sagen wir beispielsweise 45 Prozent aller Wähler) die Partei X gewählt hat, aber die Parteien Y (27,5 Prozent) und Z (ebenfalls 27,5 Prozent) miteinander koalieren, ist die "Mehrheit" plötzlich Opposition. Das soll Demokratie sein? Wenn eine sogenannte Minderheitsregierung vernünftige Politik macht, wird sie sicher die Mehrheit im Parlament finden. Opposition heißt ja nicht zwangsläufig, daß man immer und grundsätzlich gegen alles sein muß, was die jeweilige Regierung auf die Beine stellen will.

Noch ein Beispiel, die Fünf-Prozent-Klausel? Warum? Um eine Zersplitterung des Parlamentes zu vermeiden? Unsinn! Ich habe drei Jahre lang in Kopenhagen gelebt und dieses kleine Dänemark hatte seinerzeit 19 (!) Parteien im Folketing (wie viele es heute sind, weiß ich leider nicht). Das funktioniert prima. Dort kommen auch mal Minderheiten zu Wort (ob sie sich und ihre Ideen durchsetzen können, ist eine ganz andere Frage).

Wenn eine bekennend verfassungsfeindliche Partei in den Parlamenten ihr Unwesen treiben darf, bloß weil die Richter während des Verbotsprozesses "Verfahrensfehler" konstatieren, dann muß ich mich doch ernsthaft fragen, wie groß mein Vertrauen nicht nur in die Politik, sondern auch in die Jurisdiktion noch sein kann.

Ich belasse es bei diesen beiden nationalen Beispielen, frage aber: Und solchen Institutionen vertrauen wir unsere irdische Zukunft an?

Ich sagte es ja bereits, die Stichwörter lauten: Bildung und Wissen. Vielleicht klingt das jetzt elitär und eingebildet, aber alle, die wir hier im Forum diskutieren oder mitlesen, beweisen ja schon durch genau diese Tatsache, daß wir unsere Köpfe gelegentlich zum Denken benutzen, sonst würden wir uns nämlich stattdessen Schmuddelfilmchen im Internet ansehen, die neuesten Filme illegal irgendwo herunterladen, Handy-Klingeltöne sammeln, online über den nächsten Superstar abstimmen (ich vermute mal, das das geht) und in anderen Internet-Foren darüber diskutieren, warum Paris Hilton, Britney Spears oder Tom Cruise... Sie wissen, was ich meine. Und selbst wenn ich jetzt noch unterstelle, daß es alleine in der Bundesrepublik ein paar Millionen solcherart denkende Menschen wie uns gibt, die auch in ihrem täglichen Leben und Umfeld entsprechend handeln, warum ändert sich im Großen und Ganzen trotzdem nichts? Vielleicht weil eine "Denkerpartei" an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern würde?

Sie haben in Ihrer Antwort etliche Lösungsansätze treffend formuliert, Herr Keil, ich stimme Ihnen da voll zu, bezweifle aber weiterhin, daß sich in absehbarer Zeit grundsätzlich etwas ändert. Und daß wir hier auf der Nordhalbkugel allesamt auf Kosten der sogenannten Dritten Welt gelebt haben und leben, ist ja bekannt. Die Frage ist nur, wie lange sich die Dritte Welt das noch gefallen läßt. Die Aufnahmekapazität von Lampedusa ist begrenzt und die Vermehrungsrate von Piraten ist trotz der "deutschen Fregatte Mecklenburg-Vorpommern" (neulich hat ein kluger Kabarettist auf den herrlichen Doppelsinn aufmerksam gemacht) ziemlich hoch.

HB



Antworten:



Ihre Antwort

Name:
E-Mail:

Subject:

Text:

Optionale URL:
Link Titel:
Optionale Bild-URL:


[ Antworten ] [ Ihre Antwort ] [ Forum www.hbgl.net ]