Abgeschickt von Peter Niemann am 21 Juli, 2011 um 21:15:55
Weil vor der Berliner Humboldt-Universität mein Bus nicht kam, entdeckte ich auf dem dortigen Straßen-Bücherstand das "Apfelbäumchenbuch", las die beiden zufällig aufgeschlagenen Seiten und nahm es sofort mit. Der Autor ist mir von Rundfunk- und Fernsehsendungen in guter Erinnerung, einen anderen Zugang gab es im Osten nicht. Inzwischen habe ich mehrere Bücher von ihm gelesen und schätze ihn sehr, wenn ich auch vieles mangels Sachkenntnis nur sehr begrenzt beurteilen kann und nicht alle seine letzten Schlußfolgerungen teile. Wenn er z.B. in Anlehnung an Platons Höhlengleichnis den "musikalischen Genuss als Widerschein der eigentlichen Wirklichkeit" deutet, "die wir hinter dem unvollkommenen Abbild in unseren Köpfen als dessen Original anzunehmen haben", so geht mir das viel zu weit. Denn da bietet sich eine näherliegende Deutung an, die gemäß Ockhams Rasiermesserempfehlung zu bevorzugen wäre: Musik gefällt uns aus dem gleichen Grund, aus dem Essen uns schmeckt.
HvD's These, Tod sei nicht identisch mit Vernichtung und die daraus abgeleitete vage Hoffnung, nach dem Tod an zu Lebzeiten unerreichbare Erkenntnisse zu gelangen, kann ich nicht teilen. Äußerungen dieser Art, die Rationalisierungen gefühlter Anschauungen - Prägungen - sein mögen, sind geeignet, das Ansehen des Autors zu beschädigen. Das ist schade, denn seine Darlegungen zu Ökologie, Überbevölkerung, Politik, Bewertung menschlichen Erkenntnisvermögens und vieles andere sind unverändert wertvoll und hochaktuell.
Ratlos macht mich das Kapitel "Erfahrungen mit dem Doppelgänger" im Apfelbäumchenbuch. Da berichtet er über eineiige Zwillingspaare, die, obwohl kurz nach der Geburt getrennt, bis in verrückte Einzelheiten hinein identische Lebensgewohnheiten entwickelt haben. Angeblich. Ich kann es nicht glauben.
Peter Niemann, 10178 Berlin.