Re: Anthropozentrik und Teleologie


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Abgeschickt von Heinz Boente am 26 September, 2006 um 10:39:09

Antwort auf: Anthropozentrik und Teleologie von Walter Keil am 25 September, 2006 um 10:37:22:

Hallo Herr Keil,

die anthropozentrische Idee besagt doch zunächst mal nur, daß der Mensch sich selber fälschlicherweise als Höhepunkt oder gar das Endergebnis, die "Krone der Schöpfung" begreift. Daß dem nicht so ist, brauchen wir in diesem Forum sicher nicht mehr zu diskutieren, denn zumindest die denkenden Exemplare der Gattung Homo sapiens sollten inzwischen erkannt haben, daß wir alle lediglich ein Teil der Natur bzw. der Evolution sind - "Wesen des Übergangs", um mit HvD zu sprechen. Sofern wir uns also nicht selber vorzeitig ausrotten, wird auch die menschliche Evolution weitergehen und irgendwann in ferner Zukunft auch geistige Dimensionen erreichen, die sich heute selbst unsere kühnste Phantasie nicht ausmalen kann (genauso wenig wie der Pitecanthropus erectus sich den Intellekt des Homo sapiens hätte vorstellen können).

Ich persönliche verstehe Anthropozentrismus aber auch als den "Zwang", unsere menschlichen Denkstrukturen über alles legen zu müssen. Zum Beispiel, daß es uns schwer fällt, NICHT in Ursache/Wirkung zu denken, daß wir immer und hinter jedem Prinzip eine treibende Kraft annehmen müssen, und daß darüber hinaus diese Kraft unbedingt in irgendeiner Form vermenschlicht wird, also eine Art personifiziertes Wesen (in welcher Form auch immer) sein muß.

Paul Davies hat in einem seiner Bücher (ich glaube es war in "Gott und die moderne Physik") die interessante Frage gestellt (ich zitiere sinngemäß): "Wenn wir bereit sind zuzugestehen, daß etwas unendlich und ewig ist, warum müssen wir dann überhaupt soweit gehen und zu einem Gott greifen? Das könnte dann doch auch das Universum selbst sein."

Dem füge ich hinzu: da auch das Universum selber evolviert (gleichgültig, ob es seit aller und bis in alle Ewigkeit pulsiert oder irgendwann einfach endet, so wie es einfach begonnen hat), kann ich doch behaupten: Gott ist die Evolution. Was spricht dagegen?

Zugegeben, das ist nicht "griffig", darunter können sich die meisten Menschen nichts vorstellen (auch heute, im 21. Jahrhundert noch nicht!), da kann man nichts anbeten, da gibt es keine Gnade, keine Aussicht auf eine "Belohnung" im Jenseits, da ist mit dem Tode des Individuums Schluß... alles sehr schwierig zu verstehen und zu akzeptieren für ein Wesen mit unseren Denkstrukturen. Das gestehe ich zu. Aber alleine aus der Tatsache, daß der Mensch angeblich ein "religiöses Wesen" ist, zu schließen: "da muß es also noch etwas oder jemanden geben, der das alles um uns herum initiiert hat und zielgerichte lenkt"... nein, das ist mir - mit Verlaub - zu simpel.

HvD hat m. E. ziemlich schlüssig gezeigt, daß der "Geist nicht vom Himmel fiel", sondern daß es Intellekt, Phantasie und Kreativität auch ohne Gehirne gibt, die eigentlich nur die materielle Manifestation dieser Leistungen sind. Und er hat darüber hinaus geschrieben, daß es jenseits der menschlichen Erkenntnisfähigkeit (egal, welche Entwicklungsstufe ein Gehirn auch erreichen kann) immer eine Wirklichkeit gibt, die die Grenzen dieser Erkenntnisfähigkeit bei weitem übersteigt.

Den Hinweis HvD's, daß die Evolution der Augenblick einer göttlichen Schöpfung sei, verstehe ich als das Angebot der Wissenschaft an die Religionen, endlich von ihren, immer weniger haltbaren dogmatischen Vorstellungen Abstand zu nehmen und das - zweifelsfrei vorhandene - menschliche Bedürfnis nach tröstlicher religiöser Geborgenheit auf eine neue, moderne Basis zu stellen, damit die Diskrepanz zwischen "Glauben" und "Wissen" ein wenig gemildert wird.
Mag sein, daß ich mich irre, aber ich glaube, daß HvD es so verstanden hat.

HB



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