Re: Autobiografisches zum „Apfelbäumchen“


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Abgeschickt von Heinz Boente am 03 November, 2007 um 14:00:47

Antwort auf: Re: Autobiografisches zum „Apfelbäumchen“ von Halil Güvenis am 02 November, 2007 um 12:32:41:

Hallo Herr Güvenis & Diskussionsteilnehmer,

zugegeben, ich bin zwar kein Anthropologe, aber daß sogenannte nichtstädtische Kulturen weitestgehend mit der Natur/Umwelt in Einklang leben, weiß ich auch. Dasselbe gilt für "die menschlichen Gesellschaften vor der Entstehung der Zivilisation", auf die Sie sich berufen. Und natürlich weiß ich auch, daß es "so etwas wie Glauben, visionäre Kraft usw. gibt und wesentlich zu menschlicher Beschaffenheit gehört. Folglich müssen diese Eigenschaften in der Evolution als vorteilhafte Strukturen herausselektiert worden sein."

All das stelle ich überhaupt nicht in Zweifel und gestehe auch gerne zu, daß die treibenden Kräfte der Evolution für halbwegs gebildete Menschen in der Tat zum Allgemeinwissen gehören, ich hätte in meinem Beitrag also nicht besonders darauf hinweisen müssen. Allerdings kam es mir besonders darauf an zu verdeutlichen, daß nicht eine Eigenschaft des Individuums (auch nicht vieler Individuen) ausschlaggebend ist, sondern wie und ob sich diese Eigenschaft durchsetzen kann und wird. Das hängt in der Tat von der Umwelt ab, wozu natürlich auch die soziokulturellen Gegebenheiten gehören. Sicherlich habe ich mich im Eifer des Gefechts etwas unklar ausgedrückt, als ich sagte, daß "einzelne Mutationen keine Chance haben". Damit habe ich gemeint, daß die Menschheit im allgemeinen nur höchst ungern auf "Propheten" hört, die ihr unbequeme Wahrheiten predigen, die dazu noch ein radikales Umdenken und eine rasche Änderung liebgewordener Verhaltensweisen erfordern.

Trotzdem bleibt mir das alles zu wenig konkret, Herr Güvenis. Bisher haben Sie noch kein einziges, auch noch so kurzes Beispiel für das Wirken der visionären Kraft gebracht, etwas, das auch schon Herr Pfeifer im Verlauf unserer Diskussion vermißt hat. Ich habe zumindest in meinen vorigen Beträgen versucht, an einigen realen Situationen im Verlaufe der jüngeren Menschheitsgeschichte zu verdeutlichen, daß die visionäre Kraft jedesmal versagt hat, genauer: Katastrophen nicht hat verhindern können. Sicher, es ist schwierig, diese Kraft in der Vergangenheit nachzuweisen. Denn hätte sie für die Menschheit postiv gewirkt, dann wäre sie ja nicht mehr nachzuweisen, da in der Rückschau keine negative Alternative mehr sichtbar ist. Aber nur zu sagen, die Menschheit wird (sinngemäß) durch den spätestens 2020 eingetreten haben werdenden wirtschaftlichen Zusammenbruch eine aufgrund der ihr innewohnenden visonären Kraft eine wie auch immer geartete Lösung für ihr weiteres Überleben finden... das würde ich auch als eine Binsenwahrheit bezeichen bzw. bleibt - mit Verlaub - esoterisches Wunschdenken. Genauso gut könnte ich dann nämlich behaupten, daß die dem Menschen innewohnende Kraft zu lieben, nach Beendigung des Irak-Krieges alle weiteren Kriege verhindern wird (sie wird es nicht!).

Auch Angst (wahrscheinliche die stärkste Kraft) ist ein psychisches Phänomen, wozu ebenfalls die Angst vor einer radikalen Veränderung oder einem Umdenken gehört (ob Sie demzufolge auch die Bequemlichkeit und den Konservatismus des Menschen dazurechnen wollen, überlasse ich Ihnen). Und die Angst vor der Veränderung der eigenen derzeitigen Situation ist nun mal stärker, als die Angst vor einem drohenden zukünftigen Ereignis, von dem dazu noch nicht einmal jemand sagen kann, wann es so bedrohlich wird, daß es die eigene Existenz betrifft.

[...Das alles stellt die rationalistische Denkrichtung nicht in Rechnung und stuft alle psyschischen Strukturen jenseits von Vernunft als das irrationale Verhalten des Menschen ein...]

Nein, das tut es nicht, es macht lediglich deutlich, daß der Mensch offensichtlich nicht in der Lage ist, konkrete, und noch viel weniger zukünftige Probleme mit Hilfe von psychischen Leistungen zu lösen (nebenbei gefragt, als was bezeichnen Sie denn die Vernunft?). Ich finde - bitte korrigieren Sie mich, wenn ich völlig danebenliege -, daß Sie eher eine "regenerative" oder eine "adaptive" Kraft meinen, die zwar (wie der Begriff "visionär" fälschlicherweise suggeriert) eine Katastrophe nicht verhindern kann, aber sehr wohl in der Lage ist, anschließend mit den veränderten Bedingungen umgehen zu können. In diesem Fall stimme ich Ihnen uneingeschränkt zu!

HB



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