Re: Visionäre Kraft und Megatrends


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Abgeschickt von Egon de Neidels am 12 November, 2007 um 07:24:10:

Antwort auf: Re: Visionäre Kraft und überpersönliche Megatrends von Helmut Pfeifer am 09 November, 2007 um 16:14:10:

Sehr geehrter Herr Pfeifer,

Ich möchte mich bemühen, auf alle Kommentare zu meinem Text zu antworten und beginne mit Ihrem Beitrag. Ich gehe dabei immer (wie in anderen Foren) so vor, dass ich vor den Beitragsteilen ein in Klammern gesetztes Namenskürzel setze, in Ihrem Fall ein „(P)“ und bei mir ein „(E)“ gemäß meines Vornamens. Nicht wiederholte Stellen kennzeichne ich mit „(...)“.

(...)

(P) Zunächst meine ich, dass die Bezeichnung "überpersönliche Megatrends" eine Tautologie darstellt, denn ein "Megatrend" ist ohnehin "überpersönlich".

(E) Stimmt, es diente mir auch nur zur Unterstreichung.

(...)

(P) So wie Sie das düstere Bild der heutigen Gesellschaft in großen Zügen zeichnen, muss ich Ihnen recht geben. Da herrscht vielfach Geistlosigkeit, Engstirnigkeit, Egoismus in den verschiedensten Formen etc. etc.
Viele Menschen haben keine Perspektiven und so vegetieren sie dahin, indem sie nur "konsumieren" und die Last ihrer Trostlosigkeit und Orientierunglosigkeit mit allerlei Drogen zuzudecken versuchen. Dazu gehört auch das monotone, stumpfsinnige Gedröhne lauter Musik ( Lärm), mit der sich junge Menschen oft zu betäuben scheinen. Man will "vergessen" und dem täglichen Leistungsdruck am Arbeitsplatz entrinnen oder die Ausweglosigkeit eines arbeitlosen Daseins verdrängen.

(E) Dem ist nichts hinzuzufügen als der Hinweis auf die Suche nach Glück und Leidvermeidung, der mir jedem fühlenden Wesen innezuwohnen scheint. Das Problem besteht in der Wahl der Mittel, die oft nicht halten, was sie versprechen und das Leid nur vermehren. Gegen Alter, Krankheit und Tod gibt es überhaupt kein Mittel. Diese „Trinität der Unausweichlichkeit“ wird daher auch am vehementesten verdrängt bis hin zu verdächtigen (weil schon mal staatlicherseits vor rd. 70 Jahren in diesem Land z.T. praktiziert) Euthanasievorstellungen in Bezug auf unheilbar kranke und/oder alte Menschen. M.E. trägt auch die sog. Gesundheitsreform bereits sozialdarwinistische Züge, da das volle Leistungsspektrum der Medizin mehr und mehr und nur den wohlhabenden Menschen zu gute kommt. Wenn man z.B. operiert wird, bekommt man standardmäßig ein Heparinderivat als Antikoagulantium, obwohl die Inzidenz von an HIT II (heparininduizerte Thrombozytopenie Typ 2 - eine Autoimmunkrankheit, welche durch die Umkehr der erwünschten Wirkung, welche die Emboliegefahr drastisch erhöht, gekennzeichnet ist) dadurch erkrankten Menschen in deutschen Klinken bundesweit einige Tausend zählt. Das bessere Medikament Hirudin ist dagegen um mehr als den Faktor 10 teurer. Umsichtige Kliniken machen zwar zuvor einen Verträglichkeitstest (man sollte als Patient sicherheitshalber darauf bestehen!) aber die Gefahr einer billigenden Inkaufnahme besteht doch noch hier und da. Zum Trost: HIT II ist selten, aber bei weitem nicht so selten wie ein großer Lottogewinn und wir kennen unser – sich zudem veränderndes – Immunsystem nicht. Das nur als kleiner Tip am Rande.

(P) Nun zum zweiten Teil, in dem Sie sich mit den Begriffen Vision, Religion und Ideologie beschäftigen. Da habe ich ein Fragezeichen zu einem Satz gesetzt, in dem Sie sagen,... " dass Visionen, Religionen und Ideologien Reflexe und Projektionen unserer Gehirne auf die Vorgänge in der Natur(!) seien", usw.,usw...

(E) Deswegen müssen sie nicht falsch sein. Ich gehe von einer Welt aus, die sich uns aber nur fragmentarisch erschließt. D.h. ich schließe eine Überwelt oder Übernatur aus. Wir sind via Evolution in diese Welt weiter „hineingewachsen“ als andere Lebewesen auf diesem Planeten und können daher Erkenntnisse sammeln, die bereits über die uns zugängliche Welt m.E. hinausweisen (Relativitätstheorie, Quantenphysik, Chaosforschung). Diese ist m.E. auch religiös deutbar z.B. im Sinne eines Teilhard oder auch noch darüber hinaus im Sinne eines Hoimar von Ditfurths. Es ist die Welt – oder Schöpfung, wenn Sie so wollen – größer als unser Begreifen. Unser Begreifen verdankt sich aber unserem Gehirn. Mit diesem ist es denkmöglich, sich die Evolution als creatio continua vorzustellen, als ein Geburtsvorgang, dessen Wehen wir hier beklagen. Freilich wird diesem teleologischen Konzept von der Naturwissenschaft im engeren Sinne nicht Rechnung getragen, da diese zur weltanschaulichen Neutralität verpflichtet ist.

(P) Diese Aussage ist für mich nicht nachvollziehbar. Am ehesten könnte man solch eine Beziehung bei Naturreligionen sehen. Die Lehre der katholischen Kirche beruht auf biblische Glaubensgeschichte und wird genauer noch interpretiert durch die christliche Philosophie eines Hl Augustinus und eines Thomas v.Aquin und vielen anderen. Bei den beiden anderen Begriffen erkenne ich ebenfalls keinen diesbezüglichen Zusammenhang!
Ich werde meine Position dadurch verständlich machen, indem ich diese Begriffe analysiere bzw. definiere.
Die Vision ist im ureigensten Sinn so zu verstehen, dass religiöse Menschen, wie Propheten, Religionsstifter, Märtyrer, Mystiker usw. oft "unerwartet" oder durch Meditation imaginäre Bilder und Vorstellungen erwarben, die sich auf zukünftiges Geschehen bezogen. (manchmal hat man auch Vergangenes erklärt) Propheten gaben ihr Wissen dem Volk durch "Weisungen" weiter, wie sie sich etwa zukünftig verhalten sollten.
Ich weiss schon, Sie meinen, auf die Neuzeit übertragen, Menschen, die zukünftige politische und wirtschaftliche Entwicklungen intuitiv vorausahnen und die entsprechenden Maßnahmen setzen. Mit einem Wort, wegweisend zu wirken, ist visionär. Trotzdem sehe ich auch hier keine "Projektion Hirn-Natur" gegeben! Sorry!

(E) Ich weiß nicht, ob die von Paulus berichteten 500 Menschen einen wirklich auferstandenen Christus gesehen haben. Für eine Diskussion zur Klärung der Frage von Differenzen zwischen dem historischen und dem kerygmatischen Jesus ist hier wohl auch nicht der richtige Ort. Aber es besteht für mich kein Zweifel, dass hier eine große Vision vorgelegen hat, denn nur so ist m.E. die schnelle Verbreitung des Christentums nachvollziehbar (Überwindung der Todesfurcht durch die Auferstehung Christi). Dass sich die sog. Jünger Christi derlei nur ausgedacht haben sollen (vielleicht auch noch den Leichnam Jesu aus dem Grab entfernt haben), halte ich für unsinnig, denn man stirbt ja nicht für eine Lüge. Sie hätten ja – im Gegensatz zu sog. Selbstmordsektierern, usw. – gewusst, dass sie einer Lüge folgen und wären dafür sicher nicht eines oft grausamen Märtyrertodes gestorben. Ich muss das also als Rätsel stehen lassen. Aber warum sollte es nicht mehr geben, als wir mit unserer Naturwissenschaft erkennen können? Hieße es nicht auch, einem anthropozentrischen Mittelpunktswahn zu huldigen, wenn wir derlei mit Gewissheit ausklammern? Gewiss, man kann vieles ausklammern und ich bin dankbar für Skeptikerorganisationen, die uns über so manchen (esoterischen) Unfug aufklären. Aber man hüte sich auch hier, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Es hat mal jemand geschrieben, dass für ihn die Auferstehung Christi dermaßen real sei, dass ihm dagegen diese Welt wie eine Illusion erscheine. Dieser Mensch hat zumindest insofern recht, als diese Welt tatsächlich einerseits nur ein Hirn(re)konstrukt ist (was anderes erleben wir nicht) und andererseits nichts anderes als der myriadenfache Kollaps unzähliger Quantenwahrscheinlichkeitswellen - ganz abgesehen von der nur relationalen Bestehensweise der Phänomene (es ist ein Etwas nur ein Etwas vor dem Hintergrund eines Anderen) und ihrer Bewegungen, die uns eine Festigkeit oder Beständigkeit vorgaukeln, die es wahrhaftig nicht gibt. Wir erleben nichts anderes als unser Hin(re)Konstrukt von Welt – vielleicht aber sollte sich schreiben: Wir erleben gewöhnlich (!) nichts anderes als unser Hirn(re)konstrukt von Welt. Wenn wir nämlich bedenken, dass wir auch mit der Welt umgehen, wenn wir Gehirne untersuchen, dann haben wir es auch bei unseren Gehirnen mit Welt zu tun, welche wir nicht gänzlich erfassen können. Der Hirnforscher Gerhard Roth ist sich dessen bewusst und spricht von einem Gehirn, welches wir untersuchen können und einem „realen Gehirn“, dass sich unserer Untersuchung entzieht. So kann es – aber das ist freilich Spekulation – möglich sein, dass es „Einbrüche“ aus der Gesamtwelt mit dem „realen Gehirn“ geben kann, die uns als unerklärlich erscheinen. Ich beschäftige mich gerade mit der Epistemologie des Bischofs George Berkeley, der zu Unrecht oft als Solipsist gebrandmarkt wurde. Nach seiner Ansicht gibt es nur einen „objektiven Wahrnehmer“, nämlich Gott. Das Universum gleiche daher mehr einem Gedanken als einem Uhrwerk. Paulus Wort von der Erkennbarkeit Gottes durch dessen Schöpfung gewinnt dabei ganz neue Perspektiven. Ich bin kein Atheist, eher ein suchender Agnostiker, der es trotz Bemühungen nicht geschafft hat, areligiös zu werden. Auch Dawkins konnte mich nicht überzeugen; er hätte wohl auch Hoimar von Ditfurth nicht überzeugt.

(P) Im Fall "Ideologie" ist der Widerspruch noch eklatanter. Die Definition dieses interessanten Begriffs beweist meine Sichtweise wie folgt:
Ideologie ist die Gesamtheit der von einer Bewegung, einer Gesellschaftsgruppe(z.B. Partei) oder einer Kultur hervorgebrachten Denksysteme, Wertungen und geistigen Grundeinstellungen (auch Lehren genannt) Im speziellen Fall bedeutet der Begriff auch künstlich(!) geschaffene Ideensysteme!
K. Marx gebrauchte auch den Begriff "kritische" I. und verstand darunter jenes verfestigte Denken, in dem die jeweilige gesellschaftliche Ordnung "einzementiert" wird, um ihr scheinbar rechtmäßiges Bestehen zu legitimieren.
Ideologie wird auch als "falsches Bewusstsein" genannt, welches als wissenschaftliche Aussage verkleidet, auftritt. Dabei handelt es sich oft um Werturteile ohne konkreten Inhalt, also "Leerformeln", welche von der ideologischen Argumentation wie echte Aussagen benutzt werden und durch emotionale Gehalte massenpsychologische Wirksamkeit erlangen können!
Der Vollständigkeit halber sei noch gesagt:
Wir unterscheiden zwischen einer liberalen, konservativen, faschistischen und einer kommunistischen Ideologie.
Man kann behaupten: Ein jedes ideelles Orientierungssystem ( Religion, Weltanschauung, Parteidoktrin usw.) heißt IDEOLOGIE!
Eine Projektion Gehirn- Natur müssen Sie mir m.E. näher erläutern!

(E) Eine Ideologie ist für mich ein Glaubenssystem, das ohne Verweis auf supernaturale Interaktionen auskommt, eine „Diesseitsreligion“, wenn Sie so wollen. Sie wird oft – ähnlich wie die Religion – gespeist durch Hoffnungen und Ängste und v.a. dem Wunsch nach Orientierung. Damit ist sie ein Denkrahmen oder Modell, in dem die Welt gedeutet wird. Besonders zu beachten ist dabei das Filtersystem, was je nach Grad der Dogmatik ausklammert oder verzerrt, was der Ideologie zu widersprechen scheint. Damit befinden wir uns schon tief im Gehirn. Um Projektionen verstehen zu können, schauen wir uns einmal an, was passiert, wenn wir uns mit dem Hammer auf den Daumen schlagen. Sog. Nozirezeptoren auf den Neuronen bewirken via Zellmembrandepolarisation Impulssalven (sog. Spikes) entlang der Axone zu anderen Neuronen bis in das Gehirn, wo diese Informationen via Thalamus schließlich über den sensomotorischen Cortex zu den bewusstseinfähigen Arealen im präfrontalen Bereich gelangen. Wir nehmen jetzt den Schmerz im Daumen wahr – meinen wir. Das ist aber falsch, denn wir nehmen nur das Hirnkonstrukt des sog. Penfieldschen Homunkulus wahr, jener verzerrten „Körperabbildung“ im sensomotorischen Cortex, der von den Informationen afferenter Nerventrakte über das limbische System „getriggert“ wurde (ich stelle das hier nur grob vereinfacht dar). Unsere Ansicht, es ist unser Daumen, der da schmerzt, ist eine Projektion (das wird sofort klar, wenn wir an Narkose denken oder an sog. Phantomschmerzen – es ist eine Wahrnehmung codierter Körperrepräsentationen im Gehirn). Eine Ideologie – also ein mehr oder weniger komplexes Gedankensystem – kommt natürlich nicht via physischer Schmerz zustande. Ein komplexes Zusammenwirken von orbitofrontalen Cortex (soziale Anpassung), Amygdala (Angst, Furcht) und nucleus accumbans (Glück) mit dem präfrontalen Cortex (Planen, Entscheiden) erzeugt eine Stimmung aus Angst (Orientierungslosigkeit), Hoffnung (Orientierungsvehikel) und Erwartungshaltung (Orientierung). Jetzt kommt jemand daher und erzählt uns z.B. was von einer klassenlosen Gesellschaft, in der alle glücklich leben können und die sich zwangsweise aus der desolaten Situation der Gegenwart ergibt wenn wir sie nur richtig deuten und dann dieses oder jenes tun. Diese Informationen strukturieren bestimmte Netzwerke in unserem Gehirn (Synapsenwichtungen), die diese Informationen als komplexes Ideensystem codieren. Die Akzeptanz dieses so entstandenen Konstrukts wird durch Endorphinausschüttung besiegelt, während sich die Amygdala um die Feindbilder „kümmert“ und u.a. den orbitofrontalen Cortex „updatet“ hinsichtlich einer bestimmten Moral, die mit der Ideologie einhergeht. Alles das wird jetzt auf die Welt projiziert und Hinz und Kunz werden danach gemessen ob sie revolutionär oder reaktionär sind (stark vereinfacht gesehen). Das ist natürlich auch bei Religionen der Fall. So gibt es z.B. religiöse Leute, die schon in Panik geraten, wenn sie bei ihren Kindern ein Harry Potter Buch entdecken. (Die Wahrheit, die frei macht, dürfte freilich anders aussehen.)

(P) Ihre weiteren Ausführungen kann man im Großen und Ganzen so stehen lassen. Einiges wäre noch zu hinterfragen, wie Sie das eine oder andere gemeint wissen wollen, aber das würde jetzt zu weit führen.
Dass die "Güter" dieser Erde ungleichmäßig und ungerecht verteilt sind, ist leider eine traurige Tatsache. Vielleicht wird eine zukünftige Weltrevolution etwas daran ändern.
Wenn man sich die diversen Probleme dieser Welt ansieht, dann ist unschwer zu erkennen, dass wir schwierigen Zeiten entgegengehen. Da meine ich aber noch nicht eine große Umwelkatastrophe. Da genügen kleinere und mittlere von "dieser Sorte", um z.B. die Wassersituation ( um nur ein Problem zu nennen) global gesehen, präker werden zulassen. Ich denke an die paradoxe Situation, dass es einerseits große Überschwemmungen geben kann, andernseits das Trinkwasser wegen großer Dürren extrem knapp werden könnte. Dann wird`s auch für uns in Europa ungemütlich! Das sagen uns zumindest Experten voraus.

(E) Wir leben in Zeiten eines beginnenden Umbruchs und können nur hoffen, dass es keine Opfer kostet. Bei aller Düsternis erlaube ich mir den Optimismus, dass es am Ende doch weiter gehen wird. Paradoxerweise scheint das gerade die Hauptursache vieler Probleme zu garantieren: Die Überbevölkerung. Es werden Vertreter unserer Spezies weiter existieren und man kann nur mit den Berlinern von April 1945 wünschen: Bleibense übrig!

Gruss
Egon de Neidels




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