Geist und Natur


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Abgeschickt von Egon de Neidels am 17 Mai, 2008 um 19:31:33:

Geist und Natur

Würde mich jemand nach meinem Favoriten unter den allesamt hochwertigen Büchern Hoimar von Ditfurths fragen, so käme für mich v.a. „Der Geist fiel nicht vom Himmel“ in Frage. In diesem Werk hat HvD wie bisher noch kein anderer den weiten Bogen der Evolution der Bewusstseinsfähigkeit alles Lebendigen auf diesem Planeten bis zum Menschen gespannt. Ich schreibe „Bewusstseinsfähigkeit“ und nicht „Bewusstsein“ weil letzteres nach HvD m.E. eine Umwelt darstellt, in der das Leben via Evolution hineinwächst. HvD war Dualist, was u.a. aus seinen Artikeln wie „Kritische Anmerkungen zur monistischen Interpretation des Leib-Seele-Problems“ (in „Unbegreifliche Realität“) und „Materie und Geist“ (in „Die Sterne leuchten auch wenn wir sie nicht sehen“) hervorgeht. Diese und andere Artikel (Essays und Vorträge) sollten m.E. immer in Kontext mit dem o.g. Buch gesehen werden. Die dualistische Sicht HvDs ist zu unterscheiden von der Sicht des Neurophysiologen J. C. Eccles, dessen Argumente – wie HvD gleich zu Anfang von „Geist und Materie“ schreibt – „sicher zu Recht auf entschiedene Ablehnung gestoßen sind“. Denn – so müsste man heute mit dem Neurobiologen Gerhard Roth fragen – wenn es eine „geisthafte“ Beeinflussung z.B. der senso-motorischen Bereiche (das sind die Areale, in denen der sog. Penfieldsche Homunkulus, das bekannte „verzerrte“ Abbild des Körpers codiert ist) im Großhirn gäbe, warum wirkt dieser „Geist“ dann nicht gleich auf die Zielorte der sog. extrapyramidalen Bahnen, also auf die Wirkungsorte motorischen Geschehen in den Muskeln? Weiterhin müsste man fragen, ob nach Ockhams Ausschlusslogik überhaupt eine solche „geisthafte“ Beeinflussung zur Erklärung nervöser und psychischer Phänomene erforderlich ist oder ob derlei nicht schlüssig und zufriedenstellend nicht besser ohne derlei „Zusätze“ auskommt.

Der Ansatz HvDs argumentiert allerdings von vornherein anders. In seinem o.g. Buch, in dem der habilitierte Psychiater HvD nicht „nur“ wissenschaftsjournalistisch schreibt, sondern auch seine Fachkenntnisse einfließen ließ, wird Bewusstsein nicht auf höhere Säuger mit komplexen Gehirnen beschränkt. Es wird nicht einmal auf das Vorhandensein spezialisierter Zellen, wie den Neuronen beschränkt, sondern ist bereits im Verhalten von Einzellern wie z.B. den Amöben vorhanden. Denn diese verfügen zweifellos bereits über das Vermögen der Unterscheidung, mit dem sie Nahrung und Gefahren erkennen.

An dieser Stelle ist ein Einschub erforderlich: Der Begriff „Bewusstsein“ vermag möglicherweise zu Irritationen führen, da er von uns meistens mit der Selbstverständlichkeit von Alleineigentümern gebraucht wird. Wir – die Spezies homo sapiens sapiens – erleben unser Sein bewusst, während wir davon ausgehen, dass dieses – zumindest bei sog. niedrigen Lebewesen – nicht der Fall ist. Wir ziehen somit eine Grenze, die in Wirklichkeit so nicht besteht. Unser Sein, welches wir bewusst erleben, ist in Wirklichkeit auch nur ein Ausschnitte aus einer vmtl. sehr viel größeren Welt, die wir nur zu einem Teil in unseren Hirnen zu rekonstruieren vermögen. Wir leben also – auch ein Wort HvDs – nicht „wirklich“ in der Welt, sondern nur in einem Bild der Welt. Dieses aber haben wir mit allen anderen Lebewesen gemeinsam, nur das die Bilder von der Welt, über das sie verfügen, anders und weniger umfangreich als unser Weltbild sind. Ein Erleben ihrer Welt haben auch Amöben, Zecken, Vögel, usw. Es ist natürlich richtig, davon auszugehen, dass sich Amöben, Zecken, Vögel, usw. ihres Erlebens qualitativ nicht in dem Maße bewusst sind, wie höhere Lebewesen, so dass wir oft richtiger von stereotypem Verhalten sprechen als von bewusstem Sein. Dennoch handelt es sich beim Unterscheidungsvermögen auch schon beim Einzeller um einen selbsterhaltenden und –schützenden Vorgang, so dass wir vorsichtig von einer Art Proto-Selbst sprechen können, das mit einem für diese Lebewesen logischem Verhalten einhergeht. Vor anthropomorphen Projektionen in das Tierreich sollte man sich selbstverständlich hüten – das überlassen wir den Disney-Studios. Ich gebrauche hier das Wort „Bewusstsein“ synonym mit dem Wort „Geist“.

HvD hat sich natürlich in seinen Schriften u.a. auch mit den Problemen der Energieerhaltung und der Kausalität auseinandergesetzt – zwei gewichtige Gründe, die scheinbar eine Interaktion mit Geist ausschließen. Er warnt vor einem überzogenen „Kausalitätsloyalismus“ und einer fast ehrfürchtigen „Anbetung“ des Energieerhaltungsprinzips. De facto zeigen ja u.a. auch Messreihen immer wieder eine gewisse Offenheit der Natur gegenüber idealisierten Naturgesetzvorstellungen. Und in der Tat wäre ein aus reinem und verengtem Kausalitätsdenken resultierender Determinismus eher ein „Rückfall“ in ein mechanistisches Paradigma (z.B. eines „Laplaceschen Dämons“) als ein Akzeptieren des für den heutigen Stand v.a. in der modernen Physik angemessenes erweitertes Paradigma.

Die evolutionsbiologische Argumentation von HvD ist weder monistisch-materialistisch noch idealistisch-teleologisch (wie z.B. die des Paläontologen und Jesuitenpaters Pierre Teilhard de Chardins). HvD geht – wie schon im o.g. Einschub angedeutet – von einer evolutionären Erweiterung des Welterfassens in Gestalt unzähliger, durch die bekannten Evolutionsmechanismen hervorgebrachter Organismen aus. In jeder Minute betreten Milliarden von Lebewesen die Bühne unserer Erde und in jeder Minute sterben Milliarden von ihnen. Und immer gibt es hier und da winzige Veränderungen in den Genomen einzelner Lebewesen, deren genaue Ursachen oft unklar sind. Schon hier kann man – ohne die Quantenphysik zu bemühen – erkennen, dass kein plumper Determinismus am Werke ist. Und doch hat es den Anschein, als ob in all dem Chaos von Katastrophen, Seuchen und Kriegen ein Vektor zu erkennen ist, der in Richtung eines vielleicht einmal vollkommenen Weltverständnisses einer uns haushoch überlegenen Spezies weist. Die evolutionsbiologische Hervorbringung immer neuer Qualitäten ist nicht allein eine Anpassung an eine gegebene Umwelt sondern auch eine Entdeckung neuer und vorher gänzlich unbekannter Bereiche. Fragen wir uns doch mal, worin der biologische Mehrwert der Relativitätstheorie oder der Quantenphysik liegt. Fragen wir uns weiterhin, worin dieser Mehrwert bei einer Beethovensymphonie oder den Bildern von Picasso oder Dali liegen. Eben weil die Evolution nicht deterministisch verläuft, können Dinge entstehen und Bereiche erobert werden, die zuvor gar nicht erkennbar waren.

Die Frage, die sich daraus ergibt, ist die nach dem Schon-Vorhandensein von Bereichen, bevor wir von ihnen und ihren Qualitäten Kenntnis erhalten konnten. Sie ist allem Anschein nach zu bejahen. Allerdings erscheint mir der Begriff „Bereiche“ aber auch irgendwie problematisch, denn warum sollte man von irgendwie abgegrenzten Bezirken sprechen, wo doch schon ein – wenn auch im Vergleich zu uns nur rudimentärer - „Zugang“ bereits auf der Stufe sog. niedrigen Lebens möglich ist? Möglicherweise ist dieser Dualismus transzendierbar in einem umfassenden nicht-dualen Sein, dass sich durch die Hervorbringung von Leben bewusst wird. So gesehen, wäre Bewusstsein allumfassend, was an indo-asiatische Philosophien erinnert, etwa die Yogacharalehre (Cittamatra) im Mahayana-Buddhismus oder dem Advaita-Vedanta der Hindus aber auch christlich-mystischen Vorstellungen. Hier könnte – um wieder ein Wort HvDs aufzugreifen – ein frühes Ahnen dem Entdecken vorausgegangen sein.

Allein das konkrete Entdecken des Bewusstseins (Geistes) im o.g. Sinne harrt noch seiner Verwirklichung. Von der aktuellen Neurobiologie fast vollständig ignoriert, müssen wir uns anscheinend mit dem Begriff der Qualia begnügen, die nach aktuellem fachlichen Weltbild alleinig neuronal hervorgebracht betrachtet werden. Mit anderen Worten: Bewusstsein ist nach der zeitgenössischen Vorstellung prominenter Hirnforscher ein Sammelbegriff für Bewusstseinszustände, die allesamt ihr materielles Substrat in diversen Hirnarealen aufweisen und vom Gehirn an sich hervorgebracht werden. Oder noch trivialer: Bewusstsein ist ein Hirnprodukt.

Die Beweislage sieht erdrückend aus: Mit modernen bildgebenden Verfahren, EEG, bestimmten Substanzen und punktuellen Reizungen oder transkranieller Magnetstimulation, usw. lassen sich viele Effekte nachweisen, die auf eine Veränderung von Bewusstseinszuständen hindeuten. Libet, Haggard und Eimer konnten gar nachweisen, dass das sog. laterale Bereitschaftspotential in den entsprechenden Neuronennetzwerken zeitlich vor dem bewussten Willensakt liegt. Man kann sogar die senso-motorischen Cortizes so reizen, dass die betroffene Person glaubt, die daraus folgende Handlung (z.B. das Heben eines Arms) sei von ihr bewusst so gewollt. Noch dramatischer sind die Befunde bei sog. Neglect-Patienten, die sehen, ohne das ihnen das Sehen bewusst ist. Schließlich lassen neurodegenerative Erkrankungen wie Morbus Alzheimer auf oft entsetzliche Art und Weise die Beobachtung eines sterbenden Gehirns zu. Beginnend mit einem erhöhten Maß an alltäglicher und normaler Vergesslichkeit weitet sich diese Demenz über Jahre bis zum Zusammenbruch des Persönlichkeitshirnkonstruktes aus, um dann nach schlussendlicher Ausbreitung in die Regionen der formatio reticularis lebenswichtige Regelungswerke, v.a. auch die Regelung des Immunsystems, anzugreifen, was dann i.d.R. zum Exitus via Infektionskrankheit bei einem nurmehr vegetierenden Menschen führt.

Hängen wir nach derlei Befunden nicht hoffnungslos veralteten – gar vorwissenschaftlichen -Weltbildern an, wenn wir von einer Existenz einer „Bewusstseinswelt“ unabhängig vom Gehirn sprechen? Gleichen wir vielleicht jenen alten Hirnantomen, die von einem sog. obersten Wahrnehmungszentrum, das sie in der Epiphyse vermuteten, ausgingen und dort die Schnittstelle zum Geist zu sehen glaubten, obwohl längst bekannt ist, das unser Gehirn eher einem Orchester ohne Dirigent (Wolf Singer) gleicht und die Epiphyse hauptsächlich Melatonin produziert und für die Regulierung des Wach-Schlafrhythmus sorgt?

Selbstverständlich existiert kein oberstes Wahrnehmungszentrum im Gehirn und auch keine spezifische Materie-Geist-Schnittstelle. Dieses ist ja gerade der Punkt, um den sich Eccles erfolglos bemüht hatte. Er ist für unsere Argumentation ohne Bedeutung, wie schon oben gezeigt. Und natürlich ist das Gehirn der Ort für unsere Bewussteinsprozesse – daran zu zweifeln, wäre töricht. Und weil das Gehirn dieser Ort ist, lassen sich Bewusstseinszustände auch dort manipulieren. Was den sog. freien Willen betrifft, so ist auch dessen Infragestellung nicht neu – schon Freud hatte erkannt, dass wir nicht „Herr im eigenen Haus“ sind und der uralten Begriff des Schicksals (Karma, Erwähltsein, usw.) kann durchaus als ein „frühes Ahnen“ von in der Tat vorwissenschaftlichem Denken dieses Umstandes gedeutet werden. Vorwissenschaftliches Denken ist ja nicht deswegen zu kritisieren, weil es grundsätzlich falsch sei, sondern weil es nicht hinreichend für eine Beschreibung oder Modellierung neuer Theorien ist, die immer wieder bei Vorlage neuer Sachverhalte erforderlich werden.

Aber ist das Weltbild, welches die moderne Neurobiologie suggeriert, wirklich so schlüssig, wie es durch die zweifellos beeindruckenden Forschungserfolge erscheint? Die nobelpreisgekrönten Wissenschaftler Hubel und Wiesel hatten mit schon modernen Mitteln eine Wahrnehmungsverabeitungstheorie vorgelegt, die einige Zeit als unumstößlich galt. Als dann jemand seine Elektroden bei einem Versuchstier einmal in einem ganz anderen Hirnareal hineinsteckte, sah er zu seiner Verblüffung, dass auch dieses am entsprechenden Prozess maßgeblich beteiligt war, was nach Hubel und Wiesel aber nicht sein durfte. Folglich wurde dem in der Fachwelt zunächst keine Beachtung geschenkt. Heute weiß man um die große Neuroplastizität und die schon an holistische Strukturen erinnernde Funktionalität des Gehirns (tatsächlich hatte Karl Pribram in den 80iger Jahre des letzten Jahrhunderts entsprechende holistische Hypothesen aufgestellt, die sich aber als inkorrekt erwiesen). Daraus aber wurde sofort eine neue Schwierigkeit immer deutlicher: Wie bringt es das Gehirn fertig, alle die in unterschiedlichen Arealen und Netzwerken verteilten über Synapsenwichtungen eingespeicherten Codes der Umwelt wieder in ein stimmiges Bild zu verwandeln? Einen Koordinator gibt es nicht – abgesehen von bestimmten Organisationsschritten, die vom Hippocampus aus erfolgen (das Gehirn arbeitet weiter – wenn auch erheblich schlechter – bei zerstörtem Hippocampus; es können dann keine Erinnerungen mehr gebildet werden weil das zwischenspeichernde System (aka Kurzzeitgedächtnis) entfallen ist; wenn aber der HC im frühen Lebensalter entfernt wird bzw. bei der Geburt nicht vorliegt, übernehmen andere Bereiche dessen Aufgabe und die Defekte halten sich in akzeptable Grenzen). Dieses als Binding-Problem bekannte Rätsel konnte bislang noch nicht zufrieden stellen gelöst werden; es existieren wesentlich zwei Hypothesen die über synchrone Frequenzen (Franzisko Varela) oder zeitsynchrones Einspeichern sog. Assemblies (Wolf Singer) argumentieren. Das subjektive Erleben hingegen bleibt vmtl. auch weiterhin ein Rätsel, denn man findet zuweilen auf der neuronalen Ebene dieselben Prozesse bei unterschiedlichem Erleben oder unterschiedlichen Voraussetzungen. Ein - zugegeben etwas kantiges – Beispiel wäre das Glücksempfinden. Dieses wird angekündigt durch Dopaminanflutung (Motivator) im präfrontalen Cortex und erfüllt durch Aktivierung des nucleus accumbens, der für die Anflutung des PFC mit Endorphinen sorgt. Der Vorgang ist immer der gleiche, ohne Unterschied ob sich gerade ein Sadist vergnügt oder ein altruistisch handelnder Mensch sich über das Glück anderer Menschen freut, das er bewirkt hat (der jesuanische Spruch „Geben ist seliger denn Nehmen“ hat durchaus seine Berechtigung und sollte ruhig öfters praktiziert werden). Wer oder was aber erlebt dieses Glück (oder den Schmerz, der beim Andocken der berüchtigten Substance P an den entsprechenden mit diesen Rezeptoren ausgestatteten Neuronen auftritt wobei die Gehirnneuronen nicht über diese Rezeptoren verfügen und doch den Schmerz erst bewusst machen – das Gehirn kommt in unserer fühlenden Wahrnehmung gar nicht vor)? Eine Suche nach einem Ich oder Selbst bleibt erfolglos nachdem wir ohnehin das oberste Wahrnehmungszentrum oder „gnostische Neuronen“ ad acta legen mussten. Wir finden ja sowieso weder Gedanken noch Gefühle im Gehirn sondern nur Strukturen und Prozesse, die ohne jeden Zweifel eng mit dem Denken und Fühlen zu tun haben. Wir könnten versuchen, uns mit der Behauptung zu retten, indem wir sagen, Bewusstsein sei ein (emergentes) Phänomen, das auftritt, wenn bestimmte hochkomplexe neuronale Strukturen vorhanden und belebt sind. Warum ist aber dann das sehr komplexe und in seiner Struktur der Großhirnrinde vergleichbare Kleinhirn völlig unbewusst (ganz abgesehen davon, dass auch Teile des Neocortex unbewusst sind trotz identischem Aufbau mit dem als bewusstseinfähig erkannten Teilen, insbesondere dem PFC)? Vmtl. lässt sich das Rätsel nicht lösen, wenn man nur die Anatomie, die Strukturen analysiert. Wenden wir uns also den Prozessen zu. Aber auch das stellt uns nicht zufrieden, denn was soll denn an einem An- und Abfluten von Neuromodulatoren, von physiko-chemisch schlüssig erklärbaren synaptischen Geschehen nebst Synapsenumbau über Kaskadenprozesse in den Neuronen bewusst sein? Und bei den Signalen in den Axonen und Dendriten wird es noch trister, denn diese gleichen sich in ihrer Qualität alle, weil sie immer von denselben Depolarisierungsvorgängen der Zellmembran herrühren; es gibt keine spezifischen Hör- oder Bildsignale (was u.a. zu dem Phänomen der sog. Synästhesien führen kann – Hörsignale können wie optische Signale verarbeitet werden und erzeugen dann Farbeindrücke – nur wo entstehen diese Eindrücke und wer oder was nimmt sie wahr?). Die Neurobiologie ist trotz ihrer Erfolge anscheinend noch weit davon entfernt, das Phänomen Bewusstsein schlüssig und stimmig zu erklären.

Aus den hier nur kurz angerissenen Problemen lässt sich natürlich nicht einfach via argumentum ad ignorantiam ein Beleg für eine alternative Position zum Identismus oder Epiphänomenalismus (hier nicht näher erklärt, aber ohnehin von der Mehrzahl aller Forscher abgelehnt) fertigen. Man kann aber versuchen, ein Alternativmodell zu schaffen und schauen, ob dieses nicht vielleicht leistungsfähiger ist, als das derzeitige monistisch-materielle Modell. Ich kann das hier nicht in epischer Breite tun, zumal mir dazu auch Fachwissen fehlt, denn ich bin kein Neurobiologe oder Psychiater. Aber eine grobe Richtung möchte ich nachfolgend kurz darzustellen versuchen.

Ich bediene mich dazu einer etwas abgedroschenen Vorstellung, nämlich der Metapher eines simplen Fernsehempfängers. Ein TV-Gerät gilt heute nicht mehr als besonders komplex, dürfte aber dem Laien durchaus in seinen Funktionen noch manches Rätsel aufgeben. Nehmen wir zum Spaß einmal an, es gäbe in einem sehr abgelegenen Winkel in unserem Lande einen Eremiten, der - aus welche Gründen auch immer - sich früh aus der Welt zurückgezogen hat ohne viel an Wissen aus ihr mitzunehmen. Diesen technisch völlig unwissenden Eremiten suchen wir auf und schenken ihm einen batteriebetriebenen kleinen Fernseher. Kurz nach Inbetriebnahme des Gerätes sieht unser Einsiedler kleine bunte Menschen, hört Stimmen, usw. Er schaut sich um, vermutet hinter sich Menschen, die sich im Gerät spiegeln, denn vom nahegelegenen Teich kennt er Spiegelbilder. Aber da ist niemand. Er versucht auch, mit dem Gerät zu sprechen – ohne Erfolg. Irgendwann öffnet er das Gerät, um die Bilder darin zu suchen. Er kratzt an Kontakte und verändert damit Ton und Bild bis das Gerät schließlich defekt ist. Das Gerät ist „tot“ und vielleicht wird unser fiktive Einsiedler es beerdigen. Was aber ist mit den elektromagnetischen Strahlen, welche die Informationen für die Sendungen enthalten? Sie existieren weiterhin.

Das ist nur eine etwas plumpe Metapher, die aber doch auf ein alternatives Modell von Bewusstsein hinweisen könnte. Natürlich muss man im Unterschied zu der Metapher den zugehörigen Sender ausklammern und ein alles durchdringendes Bewusstseinsfeld annehmen, aus dem Bereiche individuell herausgenommen werden, die dann als Ich oder Selbst fungieren.

Wie könnte man derlei experimentell untersuchen? Dazu fallen mir die sog. außerkörperlichen oder extrasensorischen Wahrnehmungen ein, wie sie reanimierte Menschen zuweilen berichten. Peter Fenwick hat 2005 ein Experiment gestartet, um die Angaben solcher Reanimierter zu überprüfen. Dazu werden in Operationssälen in England Poster mit Zahlen so angebracht, dass sie nur von der Decke des Raumes lesbar sind. Geben nun eine signifikant ausreichende Anzahl reanimierter Patienten diese Zahlen korrekt wieder, hätten wir einen wissenschaftlichen Beleg für ein nicht mit dem Gehirn identisches Wahrnehmungsgeschehen. Lieder habe ich trotz Suchens im Internet bislang keinen aktuellen Stand dieses Experiments und wäre dankbar, wenn jemand hiezu etwas schreiben würde.

Bis dahin verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen
Ihr
Egon de Neidels




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