Abgeschickt von Holger Gröschl am 03 Februar, 2009 um 14:05:06
Antwort auf: Re: Überbevölkerung-Wurzel ? von Walter Keil am 30 Januar, 2009 um 13:56:22:
Sehr geehrter Herr Keil,
erst einmal vielen Dank für Ihre Antwort.
Ich gebe Ihnen recht, mein Beitrag ist sicher zu umfangreich und nicht immer strukturiert, da einige Gedankengänge sich nicht unmittelbar auf die Überbevölkerung beziehen.
Ich teile Ihre Ansichten in Bezug auf einen zwangsläufig eintretenden Bewusstseinswandel.
Die erfreuliche politische Entwicklung in den USA gibt in der Tat Anlass zur Hoffnung.
Auch der Ausbau regenerativer Energien wird stetig steigen (auch China, obwohl größter CO2-Emittent, investiert stark in Umwelttechnologien und ist sich seiner Verantwortung bewusst).
Trotzdem wird der Energiehunger stetig ansteigen und der massive Ausbau alle regenerative Energien diesen Bedarf nicht decken können.
Die Aussage: "Es gibt eigentlich noch keine Überbevölkerung!" teile ich nicht (ich hoffe, ich habe es richtig verstanden).
Letztlich muss man wohl dem Begriff Überbevölkerung erst einmal definieren, da habe ich so auch keine korrekte Definition parat.
Wenn sich eine autark versorgende Gesellschaft wirklich nachhaltig versorgen kann (würde), dann kann man das vielleicht akzeptabel finden, auch wenn die Anzahl der darin lebenden Menschen das Verdrängen einer Vielzahl von Arten nach sich zieht, einfach deshalb weil sie enorm viel Raum beansprucht.
Aber der massive Artenschwund ist doch ein untrügliches Alarmzeichen dafür, dass die Erde überlastet ist. Ditfurth schreibt dazu sinngemäß: "Wir verhalten uns wie ein Flugzeugpassagier, der im Cockpit alle Instrumente herausreißt, die er nicht verstanden hat".
Für mich persönlich ist eine (anthropogene) Überbevölkerung dann gegeben, wenn die natürliche Aussterberate (der übrigen Lebewesen) massiv über der
natürlichen liegt - und wir haben derzeit eine um den Faktor 1000 erhöhte Aussterberate.
Die abnehmende Biodiversität stellt letztlich die größte Gefahr für die Menschheit dar, weil sie irreversibel ist und das empfindliche über Äonen eingependelte biologische Gelichgewicht ins Wanken bringt.
Selbst die Lösung aller Energieprobleme (Stichwort Kernfusion) und somit Wachstum und Wohlstand für die meisten Menschen würde nicht das gestörte Zusammenspiel der Biosphäre wieder regenerieren.
Im Gegenteil die ganzen Wünsche und Ansprüche der dann wohlhabenden Menschen würden den Planeten vollends überfordern.
Mir ist natürlich klar, dass biologische Systeme grundtätzlich evolvieren und es immer Veränderungen gibt, aber die Zeichen der jetzigen Entwicklung, eben dass unsere Umwelt überfordert ist, sind doch unübersehbar.
Meiner Ansicht nach ist auch Deutschland überbevölkert und nicht zuletzt deshalb, weil alle großflächigen Wälder seit langer Zeit abgeholzt sind. Es gibt doch seit langem keine großen Raubtiere mehr, obwohl zugegeben, diese Entwicklung ansatzweise rückgängig gemacht wird. Kleinere Wolf- und Bärpopulationen sind ja durchaus in grenznahen Gebieten wieder anzutreffen.
Aber der massive Faunen- und Florenschnitt trifft ja nicht nur die Großtiere.
Ich bin grundsätzlich kein Pessimist, befürchte aber, dass die düsteren Prophezeiungen von Hans Jonas einen hohen Wahrheitsgehalt haben:
"Ein Massenaussterben, einen Faunenschnitt dieser Größenordnung hat es in der ganzen bisherigen Erdgeschichte nicht gegeben.
Dass wir selbst, dass unsere langsam, aber offenbar unaufhaltsam die ganze Erdoberfläche überziehende technische Zivilisation seine Ursache ist, wird von niemandem bestritten. Die Stadt der Menschen, einstmals eine Enklave in der nichtmenschlichen Welt, breitet sich über das Ganze der irdischen Natur aus und usurpiert ihren Platz.
Die Bevölkerungsexplosion, als planetarisches Stoffwechselproblem gesehen, nimmt dem Wohlfahrtsstreben das Heft aus der Hand und wird eine verarmende Menschheit um des nackten Überlebens willen zu dem zwingen, was sie um des Glückes willen tun oder lassen konnte:
zur immer rücksichtsloseren Plünderung des Planeten, bis dieser sein Machtwort spricht und sich der Überforderung versagt.
Welches Massensterben und Massenmorden eine solche Situation des ›Rette sich, wer kann begleiten werden, spottet der Vorstellung."
Ich hoffe, das klingt jetzt nicht zu negativ, vielleicht ist auch der Gedanke nicht ganz illusionär, dass der eintretende Bewusstseinswandel weltweite Anpassungsstrategien freisetzt, die wir uns noch gar nicht vorstellen können.
In diesem Sinne.
Viele Grüße
Holger Gröschl
meine website: http://www.naturspektrum.de