Re: Zuviele Probleme vs. Optimismus


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Abgeschickt von H.Heim am 08 Oktober, 2009 um 11:53:23:

Antwort auf: Re: Zuviele Probleme vs. Optimismus von Walter Keil am 08 Oktober, 2009 um 00:12:49:

Guten Morgen, Herr Keil,

zur Begrüßung möchte ich den Satz zitieren, den Herr Neidels an die Antwort an Sie angehängt hat:
"Ich denke aber, Herr Keil sieht das Problem schon differenzierter, als es bei Eingangsbeitrag scheint."
Damit wir uns hier klar verstehen: Ich bin der Überzeugung, und habe diese Überzeugung anhand Ihrer Beiträge nur festigen können, dass Sie, Herr Keil, die Dinge differenziert sehen. Meine Antwort auf die Ausführungen von Herrn de Neidels waren auch mehr allgemeiner Art und nicht speziell auf das, was Sie geschrieben haben und hatten, gemünzt.

Ihre Erlebnisse sind in der Tat von der Art, dass sie einem nicht nur unauslöschbar im Gedächtnis bleiben, sondern, so man empfänglich dafür ist, den Eindruck enstehen lassen können, eine höhere Macht hätte ihre schützende Hand über einen gehalten. Diese Überzeugung möchte ich niemandem nehmen, vor allem nicht, wenn sich daraus eine positive Lebenseinstellung ergibt, die von dem Gefühl der Geborgenheit getragen wird. "Aha", werden Sie nun denken, "aber da ist doch bestimmt ein Haken dabei, das wären ja ganz neue Töne, die der Heim da anschlägt."
Richtig, das "Aber" folgt natürlich auf dem Fuße.

Nehmen wir einmal an, es gäbe diese höhere Macht wirklich - ich denke, wir müssen nicht diskutieren, dass der Beweis dafür bisher nicht erbracht ist - so erstaunt es mich immer wieder, dass Menschen zwar davon ausgehen, dass diese Macht zum Wohl des Individuums beiträgt, sie aber am Leid desselben Individuums nicht beteiligt gewesen sein kann. Wenn es ein lenkendes Wesen "im Himmel" gäbe, müsste es für alles verantwortlich sein, was geschieht. Es ist natürlich einfach und bietet sich auch an, die Zweiteilung in Gut und Böse besonders in diesem Bereich als gegeben anzusehen und darum das 'Leid' dem Teufel, die Erlösung von was auch immer dem 'lieben Gott' zuzuschreiben. Der Papst war im Erdbebengebiet von Aquila in Italien und hat die Betroffenen besucht. Er hat ihnen versichert, und dafür haben die Menschen ihm mit Tränen in den Augen gedankt, dass 'der Gekreuzigte' sie nicht im Stich lassen würde. Dann hat der Papst seinen Segen verteilt und ist wieder abgereist. Mal abgesehen davon, dass es sinnvoller gewesen wäre, der Papst hätte, dem Gebot Jesu folgend, sein und das Geld der Kirche unter die Armen verteilt, statt unverbindlich seinen Segen, so stellt sich mir auch bei diesem Beispiel die Frage, wieso die Menschen so widerstandslos annehmen, das Erdbeben selber sei von einer anderen 'Macht' verursacht worden, und nun würde, nachdem er zunächst tatenlos zugesehen und in keiner Weise eingegriffen hat, 'der Gekreuzigte' dafür sorgen, dass die Aufräumarbeiten zügig vorangingen. Gott wird die Allmacht, was immer das auch sein mag, widerspruchslos angedichtet, gleichzeitig wird angenommen, gegen den Teufel, sein eigenes Geschöpf, könne er mit seiner Allmacht nichts ausrichten. Bei aller Unlogik dieser Annahme, wäre es nicht, wenn es denn so sein soll, einfacher für Gott gewesen, wissend, was für ein Kuckucksei er sich da ins Nest legen wird, auf die Erschaffung eben dieses Eies zu verzichten? Oder wusste er schon, dass er es eines Tages noch mal würde brauchen können, um seine Hände in Unschuld waschen zu können?
Allenfalls wird angenommen, der Mensch sei Schuld an einem Unglück, vornehmlich, weil er moralisch gefehlt, und darum die Strafe Gottes nicht nur auf sich gezogen, sondern auch verdient habe. Aber, nachdem Gott nun sein Mütchen gekühlt hat, ist er wieder bereit, da und dort helfend einzugreifen. Natürlich nach seinen eigenen, von uns nicht zu verstehenden Maßstäben.
Der Chef schlägt also seine Mannschaft zusammen, egal, ob schuldig oder nicht, und verkauft einer willkürlich handverlesenen Anzahl dann ein Pflaster?
Wenn Gott allmächtig, allwissend und allgegenwärtig ist, dann hat er bitteschön auch alles zu verantworten. Ausreden, er sei es nicht gewesen, sondern jemand, auf den er keinen Einfluss habe, sind nicht akzeptabel.
Herr de Neidels schreibt richtig, wir 'kaufen' immer beides, das Auto und den Schrott. Wenn wir annehmen, eine höhere Macht helfe uns, dass es uns besser geht, so müssen wir aushalten, dass sie auch dafür gesorgt hat, dass es uns schlecht geht. Womit die Suche nach unserer Schuld, mit der wir den 'lieben' Gott dann wieder entlasten könnten, (warum eigentlich? Wenn er was verbockt hat, sollte er doch Manns genug sein, auch dafür gerade zu stehen?!) müßig ist. Es gibt sie nicht.
Nicht ein Autounfall, nicht ein Erdbeben, nicht eine Überschwemmung hat je stattgefunden, weil ein der Einbildung entsprungenes höheres Wesen mit dem Verhalten seiner Untertanen nicht einverstanden gewesen sei und einen erheblichen Kollateralschaden billigend miteinkalkuliert und dann dazwischengeschlagen hätte.

Zurück zu Ihnen, dem unverbesserlichen Optimisten, wie Sie sich so nett ausdrücken, Herr Keil. "Glauben", so sagte mir vor geraumer Zeit ein freundlicher Bekannter, "ist eine Herzenssache und hat nichts mit dem Verstand zu tun." Ich denke, er hatte recht. Alle Versuche, Glauben und Wissen miteinander in Einklang zu bringen, sind vergeblich. Alle 'wissenschaftlichen' Gottesexistenzerklärungsbemühungen sind zum kläglichen Scheitern verurteilt. Also, kein Ausweg?
Doch. Lassen wir derartige Zappelei einfach sein. Jeder, der sich durch seinen Glauben in seiner Weltoffenheit, seiner Zuversicht, dass alles doch noch ein gutes Ende nimmt, gestärkt fühlt, verdient unseren Respekt.
Dass ich, ähnlich wie Herr de Neidels, nach jahrelangem Suchen, Überlegen, Studieren - nein, keine Angst, ich vergleiche mich nicht mit Faust:" Habe nun, ach Philosophie, Juristerei und Medizin, und leider auch Theologie..." - zu der Überzeugung gekommen bin, dass mir ein Hirngespinst bei der Lösung meiner Probleme nicht helfen kann, tut dem oben Gesagten keinen Abbruch.
Wir müssen nicht jedesmal, wenn wir etwas mit unserem, wie Herr de Neidels deutlich dargelegt hat, doch sehr beschränkten Verstande (noch) nicht erklären können, sofort die reale Existenz eines überirdischen Steuermannes herbeireden und den guten alten Zufall ins Reich der Fabel verweisen. Sie haben völlig Recht, Herr Keil, wenn Sie sagen:"Nun ja, ich denke, es gibt ihn immer wieder den einen oder anderen unverbesserlichen Optimisten, so wie ich einer bin. Da muss ich nicht unbedingt das Unrationale und Rätselhafte bemühen."

In diesem Sinne
freundliche Grüße

H.Heim




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