Abgeschickt von Helmut Pfeifer am 03 November, 2006 um 21:55:42
S.g. Diskussionsteilnehmer,
Hallo Hr. Keil und Hr.Boente,
Wie angekündigt, widme ich mich dieses mal nur diesem Phänomen und möchte es von einigen Blickwinkel aus beleuchten. Ich hoffe, dass ich eine angeregte und spannende Diskussion damit initieren kann!
1. Zeit- Was ist das?
Meist versteht man darunter die Dauer verschiedenster Vorgänge. Auch die Zeitmessung, auf Konventionen und auf astronomische Messungen basierend,ist uns vertraut.
Für denkende Lebewesen ist "Zeit" also ein alltäglicher Begriff, den man zutreffend verstanden zu haben glaubt. Je mehr man aber über ihn nachzudenken beginnt, um so mehr scheint sich das Phänomen "Zeit" auf geheimnisvolle Weise der Begreifbarkeit zu entziehen.
Dem Hl.Augustinus ist es schon so ergangen, denn er soll das Problem treffend so beschrieben haben: " Wenn niemand mich fragt, dann glaube ich es zu wissen, wenn ich es aber jemand erklären soll, so kann ich es nicht sagen."
2. Zeit und Bewußtsein.
Die moderne Philosophie kann dazu insofern eine Aussage machen, als sie erklärt, dass die Zeit eine grundsätzliche Vorbedingung unseres gesamten Erlebens und Bewußtseins ist.
Ein Individuum zu sein, heisst u.a. eine Erfahrungskontinuität, verbunden mit dem dazu notwendigen Gedächtnis zu haben. Dabei empfinden wir das "Verstreichen von Zeit" als einen der grundlegensten Aspekte unserer Wahrnehmung. Vieler unserer Gedanken und Tätigkeiten werden zu diesem zeitlichen Hintergrund in Beziehung gesetzt. Nur im dahin strömenden Fluss der Zeit vermögen wir uns selbst wahrzunehmen und das zu erleben, was wir Bewusstsein bzw. Selbstbewusstsein nennen.
Anders ausgedrückt, sind Ereignisse "zeitlich geordnet", so wie auch Seiten eines Buches räumlich geordnet sind. Auch gibt es für unser Empfinden eine Kausalität, eine so genannte
"Vorher-Nachher" Beziehung von Ereignissen:
Wenn ich z.B. ein Glas auf einen harten Boden fallen lasse, wird wahrscheinlich das Glas am Boden zerbrechen.
Man sieht, die "Zeit" ist ein grundlegender Bestandteil unserer Welterfahrung ( stärker als die Raumwahrnehmung), aber es war bisher nicht möglich, eine grundlegende einheitliche Beschreibung bzw. Definition auszuarbeiten.
Vielleicht werden wir das Phänomen des Geistes erst dann verstehen, wenn wir das der Zeit verstanden haben.
3. Die Zeit und das Universum.
Bei der Betrachtung der Zeit zeigt es sich wieder einmal, dass unsere Erkenntnisfähigkeit nicht ausreicht, dieses Phänomen im universellem Sinn komplett zu verstehen. Denn herausragende Wissenschafter haben uns erkennen lassen, das Zeit mehr ist als das subjektive Empfinden, "dass Zeit vergeht oder anders gesagt, dass der jeweils gegenwärtige Augenblick sich irgendwie von der Vergangenheit über die Gegenwart in die Zukunft "bewegt".
In kosmischen Dimensionen betrachtet, ist Zeit nicht absolut und universal. Sie ist signifikant "elastisch" im Bereich der Lichtgeschwindigkeit und wird durch entsprechende Bewegung "gedehnt" oder kann auch "schrumpfen".
Beim Urknall entstanden nicht nur die ersten Materieteilchen, sondern neben dem Raum auch die Zeit. Der von Max Planck definierte kürzeste Zeitabschnitt beträgt bekanntlich 10 hoch minus 43 Sekunden und wird als "Singularität" bezeichnet. Der 10 hoch 43-ste Teil einer Sekunde, fast ein Augenblick in der Ewigkeit!
Einstein hat in genialer Weise Raum und Zeit in seiner relativistischen Theorie zur Raumzeit verbunden. Mit Hilfe der "Sprache" der Mathematik kann die Verbindung Zeit und dreidimensionaler Raum als ein vierdimensionales "Kontinuum" beschrieben werden.( für uns, und ich glaube auch für Einstein unvorstellbar, nur die Formeln machen diese Aussage)
Das hat aber zur Folge, dass für Physiker wie Einstein, die Erscheinung eines subjektiven "Jetzt" nicht existent ist. Es gibt keinen universellen gegenwärtigen "Augenblick", dies lässt die Begrenztheit der Lichtgeschwindigkeit nicht zu.
Die herkömmliche Einteilung der Zeit in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, ist wissenschaftlich gesehen, eine Illusion. Die "Zeit" erstreckt sich demnach von jedem Augenblick in alle Richtungen. Entsprechend der speziellen Relativitätstheorie "geschieht" Zeit nicht Augenblick für Augenblick, sondern sie dehnt sich als Ganzes aus, wie der Raum.
Die Welt "geschieht" nicht, sie "ist" einfach da!
Seit Einstein wissen wir auch, dass die Geschwindigkeit mit der Uhren laufen, nicht absolut, sondern relativ sind, weil abhängig vom Zustand der Bewegung und auch von der Gravitationslage des "Beobachters".( siehe den Vergleich von Atomuhren auf der Erde mit solchen, welche sich im Flugzeug um die Erde bewegen.)Die relativistischen Berechnungen der diesbezüglichen Zeitdifferenzen haben sich beim Vergleich der Uhren als exakt richtig erwiesen.
4. Gott und die Zeit.
Dieses Thema wirft zunächst eine interessante Frage auf: Wie nimmt Gott den Fortgang der Zeit wahr?
Man sagt, Gott sei "ewig" oder "ohne Anfang und Ende", also über einen unbegrenzten Zeitraum hinweg existierend.
Weiters, wenn Gott Ursache aller existierenden Dinge darstellt, ist diese letzte Ursache selbst veränderlich?
Ein Gott darf nicht den physikalischen Gesetzen der Zeit unterliegen, sonst wäre er nicht allmächtig und Schöpfer des Universums.
Gott müsste zwangsläufig "zeitlos" sein, der einfach ausserhalb aller Zeit steht.
Da das Empfinden von der Existenz des "Selbst" mit der Erfahrung eines "Zeitflusses" eng verknüpft ist, kann ein zeitloser Gott nicht als Person oder Individuum in irgendeinem uns bekannten Sinn angesehen werden.
Einigen neuzeitlichen Theologen ist das Problem bewusst und einer beschreibt das Problem so: " Wenn wir Gott einen lebendigen Gott nennen, sprechen wir ihm "Zeitlichkeit" zu und damit eine Beziehung zu den verschiedenen Ausprägungen der Zeit". Und weiter: "Aber ohne vollständige "Zeitlichkeit" Gottes ist der Inhalt der christlichen Botschaft gestaltlos."?? ( Die Richtigkeit dieser Aussage kann ich nicht beurteilen)
Ein weiteres Problem wirft die Aussage auf, Gott sei allwissend, weil man einem "zeitlosen" Gott kein Denken in unserem Sinn zusprechen kann, da dies wiederum einer der Zeit zugeornete Tätigkeit darstellt.
Vermag ein zeitloses Wesen etwas zu wissen?
Wissenserwerb wäre nämlich wieder Tätigkeit in der Zeit, nicht aber das "Wissen" selbst. Um zeitlos zu wissen, muss Gott in seinem Wissen alle Ereignisse "durch die Zeit" besitzen!
Es liegt also eine tiefgeifende und bedeutende Schwierigkeit darin, alle, gewöhnlich Gott zugeschriebene Attribute, miteinander zu vereinbaren.
Mit der Entdeckung der veränderlichen Zeit zeigt die moderne Physik eine gewisse Diskrepanz zwischen der von der Kirche verkündeten Allmacht Gottes und der Existenz seiner Persönlichkeit.
Man sieht, "Zeit" ist ein ganz schwieriger Begriff, wenn man ihn näher betrachtet.
Meint mit besten Grüßen
H.Pfeifer