Abgeschickt von Heinz Boente am 16 Dezember, 2007 um 12:07:51
Antwort auf: Re: Ein weiterer, düsterer Aspekt, - so so von Helmut Pfeifer am 15 Dezember, 2007 um 11:05:31:
Hallo Herr Pfeifer, liebe Diskussionsteilnehmer,
hier meine Gedanken zu Ihrem Beitrag.
"Viele fundamentalistisch geprägte Atheisten machen sich aber nicht einmal die Mühe des Nachdenkens. Diese Haltung reicht vom Akademiker bis zum Hilfsarbeiter."
Grundsätzlich haben Sie recht, das mit dem 'Nachdenken' ist heutzutage eh so eine Sache und gilt natürlich für beide Seiten, Atheisten und Gläubige. Sie können aber sicher davon ausgehen, daß die Teilnehmer an diesem Diskussionsfaden (Heim, de Neidels, Lütgemeier, Keil, Boente) sehr wohl durch Nachdenken zu ihrer jeweiligen grundsätzlichen Einstellung gelangt sind.
"Nur sollte man Gott nicht a priori ablehnen."
Das ist eine reine Definitionssache. Der Begriff "Gott" muß immer und in allen Situationen gewissermaßen als eine Art Sammelbegriff für einen tatsächlich innewohnenden Drang des Menschen zur Spiritualität und zur Mystik herhalten. Für den einen ist es der alte Mann mit dem weißen Bart, für den anderen ein geistiges Prinzip, für den dritten vielleicht die Evolution. Letztlich läuft alles auf die erste (oder letzte) Frage hinaus: Gibt es einen Schöpfer des Universums (also allen Seins) oder existiert dieses Universum aus sich heraus, und IST in diesem Sinne selber Gott? Auch diese Annahme ist genauso berechtig wie alle anderen.
Die Frage nach "Gott" ist also eine schlichte Ja/Nein-Frage, deren Beantwortung letztlich jedem Einzelnen überlassen ist (und m. E. bleiben sollte).
Daß es "eine unendliche Welt" jenseits der menschlichen Erkenntnisfähigkeit (beim heutigen Stand der Hirnentwicklung, wohlgemerkt) gibt, ist unter denkenden Menschen unbestritten. Das hat HvD mit seiner Definition der Transzendenz gemeint. Ich kann mir nicht vorstellen, daß ein "nachgedachthabender" Atheist diese Tatsache leugnet. Und daß das Universum voller Überraschungen steckt, um es mal salopp auszudrücken, die intelligente Rassen bis ans Ende aller Zeiten beschäftigen werden, kann als ebenso sicher angenommen werden.
Ein Universum oder die Evolution ist allerdings (in diesem Sinne des Wortes) gnadenlos und absolut unpersönlich. Man kann sich nicht mit ihm identifizieren oder gar danach streben ihm ähnlich zu sein. Man kann es nicht anbeten, es tröstet nicht, gibt keine Lebenshilfen, erklärt nichts, sondern überläßt all dies dem Individuum selber. Wer damit überfordert ist (aus was für Gründen auch immer) schließt sich mit Gleichgesinnten zusammen und schon ist eine Religion entstanden. In einem weiteren Schritt werden nun die dem Menschen sowieso a priori innewohnende Ethik und Moral vereinnahmt und eine Reihe von Verboten erlassen, die allesamt auf einem unerklärbaren weil "jenseitigem" Gedankengerüst stehen und vielfach nur einen einzigen Sinn haben: die eigene Glaubensgemeinschaft gegen andere zu stärken.
Mit jeder Erkenntnis der Menschheit ist es ähnlich, beispielsweise die Atomwissenschaft. Das, was Hahn, Curie, Fermi und alle Atomwissenschaftler nach ihnen geleistet haben, ist zunächst einmal ein riesiger Beitrag zum Verständnis dessen, "was unserer Welt im Innersten zusammenhält". Nun kommt der nächste Schritt: die Anwendung dieses Wissens. Man kann mit Radioaktivität Tumore zerstören und somit Leben retten und man kann (lassen wir die Langzeitfolgen mal außer acht) Energie erzeugen oder man baut (angeblich zum Schutz gegen das Böse) eine Atombombe. Alles geschieht unter dem Deckmäntelchen "Gutes für die Menschheit". Es steckt beides in jeder Wissenschaft, Segen und Fluch. HvD hat es mal die reine Wissenschaft genannt und darüber 1981 den Vortrag "Die Wissenschaft als Hure" (veröffentlicht in: "Die Sterne leuchten..") gehalten
Unbestritten enthalten alle Religionen Positives, gar keine Frage, allerdings wird - da Religion an sich angeblich "gut" ist - der negative Einfluß durch Dogmen und - Verzeihung - idiotische Vorschriften und Regeln von vielen Menschen überhaupt nicht zur Kenntnis genommen, ja, das Gegenteil ist der Fall. Statt dem vorhandenen Bedürfnis des Menschen nach Spiritualität und Transzendenz und Erklärungen für zunächst noch Unerklärbares dynamisch Rechnung zu tragen, beharrt man auf einem irrsinnigen, haarsträubenden und absurden Regelwerk, das in grauer Vorzeit entstanden und ziemlich willkürlich zusammengeschustert ist (das gilt für alle heutigen großen Religionen). Ein abstruses Regelwerk, das sich - wörtlich verstanden - im Laufe der Geschichte für Millionen und Abermillionen Menschen als, im wahrsten Sinne des Wortes, tödlich herausgestellt hat und dies in einem bisher nie gekannten Ausmaß weiterhin tut.
Und da nützt es auch nicht, daß man sich die "guten" Stellen aus den Schriften herauspickt und so tut, als gäbe es die eindeutig formulierten Tötungsbefehle für die Ungläubigen gar nicht. Die gibt es nach wie vor und sie sind angeblich genauso "das Wort Gottes" wie die Bergpredigt. Wenn man unter diesem Aspekt als denkender Mensch die Bibel oder den Koran liest, ist man fast geneigt auszurufen: "Ich bin stolz, ein Atheist zu sein!"
In diesem Sinne habe ich die Beiträge von Herrn Heim verstanden und mit Freuden unterschrieben. Und ich wundere mich weiterhin, wie Menschen mit trotz dieses offensichtlichen Zwiespaltes weiterhin brav ihre Kirchensteuern entrichten statt das Geld direkt in humanitäre Hilfe und aktive Nächstenliebe zu investieren. Ich werfe lieber einem Straßenmusikanten zehn Euro in den Hut, als auch nur einen einigen Cent einer Religionsgemeinschaft zu überweisen.
HB