Abgeschickt von Heinz Boente am 01 Mai, 2009 um 15:53:52
Antwort auf: Das Superatom-Energiewende-Bewusstseinswende von Walter Keil am 29 April, 2009 um 13:29:42:
Hallo Herr Keil,
schön, daß Sie sich mal wieder zu Wort gemeldet haben, wenn auch mit einem wenig erfreulichen Thema, das mir dennoch ebenfalls sehr am Herzen liegt. Lassen Sie mich deshalb gleich zu Anfang auf einen Link zur Webseite der Zeitschrift "Bild der Wissenschaft" hinweisen: www.wissenschaft.de/wissenschaft/news/303029.html. Der Artikel stammt von gestern, den 30. April. "Der weltweite Anstieg der Temperatur wird voraussichtlich den von der Politik als kritisch eingestuften Wert von 2 Grad Celsius überschreiten - wenn es nicht zu einem drastischen Kurswechsel kommt." heißt es u. a. dort. Ja, "es ist soweit", wie der Untertitel des "Apfelbäumchens" bekanntermaßen lautet.
Doch nun zu Ihrem Beitrag. Sie beginnen ihn mit einigen wichtigen Sätzen (ich zitiere): "...diese Welt leidet und geht möglicherweise den Bach runter. Ein wesentlicher Grund dafür ist die ständige Verkennung der tatsächlichen Situation in der sich die Menschheit befindet. Diese Verkennung betrifft auch viele Wissenschaftler, Ingenieure und gebildete Menschen, wie Manager. Sie haben erleben die Welt, unsere Erde, immer als vordergründige Alltäglichkeit, niemals als kosmisches Juwel. Dessen Belastbarkeit begrenzt ist und daher dem Zwang zur Ökologie unterliegt." Und weiter schreiben Sie (ich zitiere): "Die Wirtschaftskrise zeigt uns auch, dass Bildung und Elite-Bildung wenig Wert ist, ohne moralisch-ethische Qualifikation. So gelten jede Art der Geschäftemacherei und Gewinn-Maximierung als systemkonform und moralisch wertfrei. Ein Irrtum, der auch unsere biologischen Grundlagen angreift." (Ende der Zitate)
Sehr richtig, Herr Keil! Und ich möchte Ihrem Überfischungs- und Kohlenstoff-Beispiel noch ein paar weitere hinzufügen.
Scheinbar - so redet man uns jedenfalls ein - "systemkritische" und "strukturrelevante" Konzerne werden mit unseren Steuergeldern unterstützt --- eine kurze Zwischenbemerkung zum Thema Opel: wo sind eigentlich Borgward, Simca, Glas, NSU (die Liste ließe sich noch lange fortsetzen) geblieben? Wer hat denen damals mit Milliarden finanziell unter die Arme gegriffen? --- und, zugegeben, damit kurzfristig Tausende von Arbeitsplätzen (Hurra!) gerettet. Damit ich hier nicht falsch verstanden werde: ich will die Bedeutung und die Tragik für den Einzelnen und seiner Familie hier keinesfalls herunterspielen, wenn jemand seinen Arbeitsplatz verliert, und das aufgrund von Fehleinschätzungen und Mißmanagement, für die er am allerwenigsten kann (die aber nichtsdestoweniger mit Gehältern jenseits jeder normalen Vorstellungsgrenze und satten Abfindungen belohnt werden), aber ich meine, das ist gesellschaftspolitisch und ökologisch sehr kurzfristig gedacht. Die von Ihnen angesprochene Wende bedeutet ja auch, daß wir uns von überalteten, nicht mehr zeitgemäßen, wenig zukunftsträchtigen und mittel- bis langfristig sogar gefährlichen Technologien (also beispielsweise Automobile mit Verbrennungsmotoren für fossile Stoffe) verabschieden und unsere Kreativität und unsere Anstrengungen vollkommen anders, an anderen Arbeitsplätzen halt, ausrichten müssen. Zusätzlich setzen wir - trotz des Berichtes Global 2000, trotz Gruhl, trotz Ditfurth und vielen anderen - immer noch alles auf die "Wachstumskarte", in der falschen Hoffnung, daß von dem dicken Kuchen, den einige wenige Skrupellose unter Ausschluß der Öffentlichkeit verspeisen, auch ein paar Krümel für uns "hier unten" abfallen.
Aber es sind ja nicht nur die bösen, bösen Manager, die sich teure Autos und Luxusvillen auf eigens dafür angelegte Inselchen im Persischen Golf leisten können. Wir scheuen uns ja auch nicht, Menschen Millionengehälter zuzugestehen, die nichts weiter tun, als einen Lederball über eine Wiese zu treten oder mit hochmotorisierten Benzinfressern und CO2-Ausstoßern sinnlos im Kreis rumzufahren oder Menschen, die schwachsinnige Liedchen trällern, die sich unsere Jugend dann als Klingeltöne aufs Handy laden kann, dieweil täglich 40.000 Kinder elend verhungern, die - nur um es nebenbei noch einmal zu erwähnen - in unser aller Interesse am besten gar nicht erst hätten geboren werden sollen. Auch hier möchte ich nicht falsch verstanden werden, sicherlich bereiten die von mir gerade angeprangerten "Promis" vielen Menschen Freude und Entspannung, aber dennoch erlaube ich mir die Frage, die hier beispielhaft für viele andere in dieser Richtung zu stellende sein soll, ob es wirklich nötig ist, einem angehalfterten Fußballtrainer eine Geldsumme als Abfindung hinterherzuwerfen, für die eine durchschnittlich verdienende Krankenschwester rund 250 Jahre lang arbeiten müßte? Ich halte das für obszön!
Wir geben selbst heute Milliarden für Pipelines aus, die einen Bodenschatz (Energieträger) transportieren, von dem wir jetzt schon genau wissen, daß er nur noch ein paar Jahre, güstigstenfalls ein paar Jahrzehnte reichen wird, und dazu sogar noch unseren eigenen Lebensraum belastet. Wir billigfliegen für 19 Euro in den Süden und wieder zurück und freuen uns über Schnäppchen beim Discounter, die in Drittwelt- oder Schwellenländern unter Bedingungen produziert werden, die wir uns hier im Lande kaum vorstellen können. Es ist der reine Wahnsinn, der sich jeden Tag um uns herum abspielt.
Dabei ist es ja nicht einmal so, daß es keine Lösungen gäbe: Technologien gibt's genug: Erdwärme, Sonnenenergie, Biomasse, um nur einige zu nennen. Investitionen in Bildung, in die Krankenversorgung, in die Forschung und, und, und. Alles Dinge, die unseren Lebensraum kaum belasten, die aber nichtsdestoweniger sehr wohl geeignet sind, uns unseren eigenen bescheidenen Luxus zu erhalten und diesen den weniger privilegierten Menschen auf unserem Planeten ermöglichen könnten (vorausgesetzt es werden nicht schneller mehr, als der Fortschritt mithalten kann). Sicher, die ersten Schritte sind getan, ein gewisses "Umweltbewußtsein" gehört mittlerweile zur Allgemeinbildung, aber das reicht alles noch nicht - ich hab's hier im Forum schon oft geschrieben - die Zeit wird uns davonlaufen.
Natürlich bin ich mir darüber klar, daß ich hier in meinem Beitrag mal wieder den "großen Rundumschlag" führe, daß ich mir wieder einmal vieles von der Seele schreibe, aber ich will auch damit zeigen, daß alles mit allem zusammenhängt. Wir werden Problemen dieses Außmaßes nicht mit Insellösungen begegnen können! Wir können eine marode Investment-Bank vorübergehend vor dem (bei genauer Betrachtung sogar verdienten) Zusammenbruch retten. Wir können den CO2-Ausstoß, nein, nicht einmal verringern, sondern allenfalls seinen Anstieg etwas verlangsamen, und das auch nur sehr lokal (am Anstieg des globalen Ausstoßes ändert das schon allein wegen des grassierenden Wachstumswahn nicht das Geringste). Wir können mit Milliardensummen, für die jeder Einzelne in Form von Steuergeld seinen persönlichen Beitrag leistet, nein, leisten muß, verkorkste Strukturen und veraltete Technologien für eine gewisse Zeit vor der Pleite bewahren, wohl wissend, daß wir damit eine Technik unterstützen, die u. a. sogar eine Mitschuld an unserer Misere trägt (wie schizophren ist das?). Was wir aber offensichtlich nicht schaffen, ist, ein grundsätzliches Umdenken. Man muß sich doch fragen, warum (von den regelmäßigen Lesern und Beitragenden in diesem Forum mal ganz abgesehen) die Tausende und Abertausende von Menschen (vermutlich sind es sogar noch viel mehr), die sich dieser Probleme sehr bewußt sind und - ich schrieb es bereits - Lösungen parat haben, nichts, aber auch rein gar nichts ausrichten können?!? Sie werden oft sogar (HvD ist das beste Beispiel) als Schwarzseher gebrandmarkt. Mahner und Warner sind nicht gefragt. Kritisches Denken ist verpönt. Ja, sogar das deutliche Aufzeigen von Lösungsmöglichkeiten wird als "nicht finanzierbar" abgetan. Manchmal frage ich mich, ob die verantwortlichen politischen Entscheider wirklich so blöd sind oder ob sie ihr Wählervolk nur deshalb mit Halbwahrheiten, unvollständigen Informationen und fadenscheinigen Begründungen vertrösten, damit sie ihren Posten nicht verlieren. Die Wahrheit könnte ja unangenehme, weil unbequeme Konsequenzen nach sich ziehen, nein, nicht 'könnte', sondern 'wird', und zwar für alle Menschen!
Wozu leisten wir uns beispielsweise eigentlich eine transnationale Institution namens "Vereinte Nationen", wenn diese nicht einmal fähig ist, Nationen zu vereinen? Wenn selbst in diesem Gremium wirklich wichtige Entscheidungen, die schließlich nichts weniger das Überleben der gesamten Menschheit betreffen (!!!), am Veto einzelner nationaler und dazu noch meist kurzfristiger wirtschaftlicher Interessen scheitern können?
Ich darf Sie zum Schluß noch einmal zitieren, Herr Keil: "Wir brauchen eine geistige Wende, die den kurzsichtigen Blick auf unser Dasein überwindet. Alles was lebt kommt jetzt unter Druck - wie das zukünftig weitergeht hängt von uns allen ab." Jawohl, ganz genau so ist es! Es fehlen die wirklichen menschlichen Werte (ein großes Wort, ich weiß, ich werde es hier an dieser Stelle auch nicht weiter ausführen, unterstelle aber, daß Sie und die Leser wissen bestimmt, was ich damit meine). HvD hat wieder und wieder auf die biologische Natur des Menschen hingewiesen und auf den "Neandertaler in unserem Kopf". Den können wir zwar nicht von heute auf morgen besiegen, dazu bedarf es noch ein paar weiterer Jahrtausende der Evolution, aber wir können uns sehr wohl heute schon seiner Gegenwart und seinem (leider oft unheilvollen) Einfluß auf unser Verhalten bewußt werden und gegensteuern. Ratschläge, die aus der Steinzeit stammen, sind nicht immer die besten für eine moderne Welt. Das sollten wir alle, die wir uns stolz "homo sapiens" nennen, doch eigentlich inzwischen gelernt haben.
Gruß
HB