Re: Zu Hirnforschung hard- und Software...


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Abgeschickt von Aribert Böhme am 08 April, 2010 um 18:18:01

Antwort auf: Re: Zu Hirnforschung hard- und Software... von Henry Grimmer am 06 April, 2010 um 16:22:56:

Sehr geehrter Herr Grimmer,

vielen Dank für Ihren Beitrag zum Thema "Chaos", zu dem ich nachfolgend gern einige Aspekte ergänzen möchte.

01. Zu Ihrer Formulierung "... dass wir uns letztlich nicht beliebig genau über die Anfangsbedingungen informieren können (siehe Heisenberg, was aber eigentlich genauer meint, das der Kosmos zumindest im klassischen Sinne nicht determiniert ist...)": Ja, wie Sie selbst richtig formulieren, lässt sich die Heisenbergsche Unschärferelation so deuten, auf einen nicht-determinierten Kosmos zu schließen". Doch, genau das ist der entscheidende Ansatzpunkt. Warum? Nun, sobald die Idee der Heisenbergschen Unschärferelation in einen größeren Kontext eingebettet wird, lässt sich aus einem bis dahin als "chaotisch" wahrgenommenen Zustandsraum etwas ableiten, das keineswegs mehr als "chaotisch", sondern durchaus als determiniert (berechenbar) betrachtet werden kann.

02. Im weiteren Verlauf schreiben Sie "... wir können auf Grund der gegenseitigen Abhängigkeit der Gravitation der einzelnen beteiligten massebehafteten Körper nicht beliebig weit in die Zukunft oder auch in die Vergangenheit die Bewegungen in einem solchen System voraus-/nachberechnen...". Hier gilt entsprechend, dass dies nur so lange stimmt, so lange eine solche Aussage "innerhalb" eines Primärsystems getroffen wird. Sobald jedoch doch der Kontext - sprich: Blickwinkel (Dimension) - erweitert wird, ergeben sich neue, teils fundamental neue Beobachtungen bzw. Schlussfolgerungen.

03. Zu Ihrer Korrektur "Ihr Beispiel mit der Computersoftware bezieht sich aber auf einen anderen Sachverhalt, hier sind die Anfangsbedingungen vollkommen bekannt, und es geht in der Folge tatsächlich nur um die Qualität des Software bzw. letztlich um den Speicherplatz, denn prinzipiell ist das Schachproblem zu lösen": Da haben Sie völlig Recht. Ja, die Anfangsbedingungen im Schach sind vollkommen bekannt. In Anlehnung an den Beitrag von Herrn Boente hatte ich das Beispiel Schach nur deshalb gewählt, um einen mehr umgangssprachlich motivierten Begriff - der nur zu oft in der Sache falsch interpretiert wird - verständlicher zu machen. Wohlwissend - da stimme ich Ihnen uneingeschränkt zu - dass es sich beim Schach nicht um ein chaotisches System handelt - hatte ich von daher absichtlich auch Hochkommata benutzt, um schon dadurch darauf aufmerksam zu machen, dass mein Beispiel zu relativieren sei. (Stichwort dazu: "vermeintlich unberechenbares Chaos").

04. Herrn Boentes Kernausssage "...Es bedeutet aber nicht, daß diese Unlogik, dieses Chaos nicht doch eventuell einer ganz anderen Ordnung unterliegen, die jenseits unseres begrenzten Erkenntnishorizontes wirkt und von uns deshalb nicht als "Ordnung höherer Ordnung" erkannt werden kann..." stimme ich ausdrücklich zu, wenngleich ich Ihnen Recht gebe, dass das von mir gewählte Beispiel "Schach" u. U. etwas missverständlich sein könnte.

05. Konkreter Hintergrund meines Beispiels war u. a. eine persönliche Erfahrung während der Schachcomputer-Weltmeisterschaft 1986 in Köln. Dort argumentierten sog. "Experten" wie z. B. der Schachgroßmeister Dr. Robert Hübner, es sei aus grundsätzlicher Erwägung heraus nicht möglich, dass Schachcomputer jemals in die Klasse menschlicher Schachweltmeister vorstoßen könnten, da der zu berechnende Ereignisraum derart astronomisch (chaotisch) groß sei, dass dies aus grundsätzlicher Erwägung heraus niemals möglich sei. Schon damals publizierte ich zu dieser - wie wir längst wissen - groben Fehleinschätzung selbsternannter "Experten" diverse Fachbeiträge in einschlägigen Fachzeitungen, in denen ich schon damals die These vertrat, dass der Tatbestand eine Person x oder Personengruppe X(i) könne ein Problem P(n) nicht lösen, sogleich bedeute, dass das Problem P(n) grundsätzlich unlösbar sei, sondern vielmehr zeige es, dass zu einem Zeitpunkt t(i) eine Person x oder Personengruppe X(i) das besagte Problem P(n) nicht lösen könne; nicht mehr, und nicht weniger. Daraus zu schließen, das Problem P(n) sei prinzipiell unlösbar; dem ist definitiv nicht so. Mir ging es bei meinem Beispiel darum, zu zeigen, dass - vor allem umgangssprachlich - der Begriff "Chaos" oftmals völlig falsch verstanden wird, so nach dem Motto: "Chaos = unlösbar"; und genau das ist grundsätzlich falsch. Insofern stimme ich Herrn Boente zu, wenn er schreibt: "Es bedeutet aber nicht, daß diese Unlogik, dieses Chaos nicht doch eventuell einer ganz anderen Ordnung unterliegen, die jenseits unseres begrenzten Erkenntnishorizontes wirkt und von uns deshalb nicht als "Ordnung höherer Ordnung" erkannt werden kann...". Dennoch ist Ihr Einwand berechtigt, denn mein Beispiel war - zugegeben - etwas ungenau formuliert.

Formulierungen der Art, wie sie nicht nur der Schachgroßmeister Dr. Hübner gemacht haben, zeigen vielmehr, dass sehr viele Menschen erkennbar empfindliche Probleme damit haben, anzuerkennen, dass "künstliche Systeme" längst Bastionen eingenommen haben, von denen - auch heutzutage noch - viele Leute offenbar ernsthaft denken, sie seien für alle Zeit der Struktur "Mensch" vorbehalten. Nicht ohne gute Gründe wurde vor allem das Schach im Bereich der KI-Forschung als Paradebeispiel gewählt, weil sich daran ebenso elementare wie fundamentale Aspekte des Denkens nachweisen lassen. Eine für viele Menschen (zunächst verständliche?!) Demütigung bestand bzw. besteht sicher darin, zu akzeptieren, dass "intelligentes Denken" nicht zwingend ein Gehirn - und schon erst recht nicht ein menschliches Gehirn - zwingend voraussetzt. Doch, das eröffnete hier eine neue "Baustelle", die an dieser Stelle hier den Rahmen sprengt.

Mit freundlichen Grüßen
Aribert Böhme





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