Re: Thomas Metzinger: Der Ego-Tunnel


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Abgeschickt von Klemens Taplan am 14 Oktober, 2009 um 20:37:27:

Antwort auf: Re: Thomas Metzinger: Der Ego-Tunnel von Henry Grimmer am 14 Oktober, 2009 um 11:37:32:

Hallo Herr Grimmer,

ja, dass mit der Willensfreiheit ist so eine Sache. Man muss sich mittlerweile nicht nur fragen, „ob“ der Wille frei ist, sondern auch, „wer“ denn Inhaber des Willens ist. In der Literatur findet man unterschiedliche Interpretationen zu den damaligen Experimenten von Libet. Als sicher kann m.E. gelten, dass der Wille nicht so frei ist, wie er uns vorkommt. Metzinger behandelt das Thema in „Der Ego-Tunnel“ nur am Rande. Aber er hält Determinismus und freien Willen für miteinander vereinbar. Eine ähnliche Position vertritt der Philosoph Michael Pauen, der seine Auffassung in „Was ist der Mensch?“ ausführlich begründet. Pauen stützt sich auf das Autonomieprinzip und das Prinzip der Urheberschaft, denen man gerecht wird, wenn man unter Freiheit Selbstbestimmung versteht. Nach seiner Auffassung existieren auch (oder gerade) in einer determinierten Welt Handlungsalternativen. So wie es in der Naturwissenschaft „Ursachen“ gibt, orientiert sich menschliches Verhalten an „Gründen“. Damit beschreibt er einen Kategoriewechsel, der zu Ergebnissen führt, die dem menschlichen Erleben im Alltag gerecht werden. Freiheit im psychischen Sinne ist nicht gleichzusetzen mit Freiheit im physikalischen Sinne. Eine Gegenposition zum Thema von dem Psychologieprofessor Wolfgang Prinz in einem Interview aus dem Jahre 2004: "Für mich ist unverständlich, dass jemand, der empirische Wissenschaft betreibt, glauben kann, dass freies, also nicht determiniertes Handeln denkbar ist."

Sind die Probleme „Geist“ oder „Ich“ reduktionistisch lösbar? Sicherlich nicht in dem Sinne, dass man kleinste Teilchen definiert, denen man psychische Qualitäten zuschreibt. Dann wären wir wieder bei den Monaden. Gerhard Roth definiert einen „nicht-reduktionistischen Physikalismus“ (siehe „Das Gehirn und seine Wirklichkeit“). Auch das bestehende Theoriegebäude der Physik ist nicht-reduktionistisch. Sowohl Roth als auch Metzinger gehen davon aus, dass man zu Bewusstseinsinhalten neuronale Korrelate finden wird und man eines Tages in der Lage sein wird, für spezifische Arten des Erlebens, die konkret erforderlichen Muster im Gehirn angeben zu können. In diesem Sinne dürfte das „Ich“ auch nur ein Muster sein. Wenn man diesen Stand erreicht hat, weiss man aber immer noch nicht „was“ Geist ist. Das Qualia-Problem, das „Erleben“ bleibt ungelöst. Aber auch die Physik weiss im ontologischen Sinne nicht was Masse oder Licht ist, sie kann trotzdem mit diesen Begriffen umgehen und sie in Beziehung zueinander setzen.

Ich stimme Ihnen zu, dass die Summe der Teile weniger als das Ganze ist. Emergenz kann man nicht aus Teilen ableiten. Neue Eigenschaften entstehen einfach bei einer bestimmten Komplexität. Zu Ihrem Satz „Die Große vereinheitlichte Theorie wird uns hoffentlich zeigen, dass die Raum-Zeit die grundlegende Substanz ist, dass sich das Sein in uns quasi denkt.“ ein paar Anmerkungen: Ich glaube nicht so recht daran, dass man wirklich eine physikalische Theorie finden wird, die alles erklärt. Sollen biologische Vorgänge physikalisch erklärt werden können? Selbst wenn man eine Theorie hätte, ist das „Erleben“ noch ungelöst. Die Verbindung von „Große vereinheitlichte Theorie“ zu „das Sein“ halte ich für erklärungsbedürftig. Der Halbsatz „dass sich das Sein in uns quasi denkt“ gefällt mir. Die Frage „wer“ denkt ist nach Metzinger ja noch unbeantwortet.

Mit freundlichen Grüßen
K.T.




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