Abgeschickt von Heinz Boente am 15 Mai, 2010 um 12:10:53
Antwort auf: Re: Die Violetten von Henry Grimmer am 14 Mai, 2010 um 15:49:18:
Hallo Herr Grimmer,
Ihrer Erklärung über die Verhaltensmuster kann ich folgen, kein Problem. Schon HvD hat ja dargelegt, daß das, was wir als Instinkte (ergo Verhaltensweisen) bezeichnen, sozusagen das Gedächtnis der Art ist (Erlerntes und für nützlich Befundenes wird gespeichert und an die nachfolgenden Generationen weitergegeben). Da jedoch - um Ihr Beispiel stark vereinfacht, aber stellvertretend für alle möglichen Verhaltensänderungen aufzugreifen - das Springen durch einen brennenden Reifen für die Gattung Löwe keinen Überlebensvorteil bringt, wird er seinen Nachfahren dieses (andressierte) Verhalten auch nicht weitergeben. Der Dompteur müßte also dem Löwennachwuchs dieses jedesmal neu antrainieren.
Auf den Menschen übertragen bedeutet das (LEIDER), daß ein durch Vernunft und Überlegung als sinnvoll erachtetes umweltbewußtes Verhalten zwar weit in die Zukunft reicht und sogar bzw. nur so langfristig die Existenz der eigenen Art sichert, aber unmittelbar für das Individuum im Hier und Jetzt (LEIDER) völlig irrelevant ist. Bert Brecht hat es drastisch ausgedrückt: "Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral." Nichts ist so schwer, wie eine Bewußtseinsveränderung! Beim einzelnen Menschen und kleineren Gruppen mag das noch funktionieren, aber die Mehrzahl der Menschheit, die zu gewinnen überlebenswichtig wäre, wird das nicht gehen. Das ist keine Resignation, sondern die schlichte Feststellung einer Tatsache!
Wenn Sie sagen (Zitat): "Wir müssen eine Gesellschaft schaffen, die unabdingbar den Wert jedes einzelnen Menschen anerkennt und alles in des Menschen Macht liegende tut, um den einzelnen in seinem persönlichen „So-Sein" zu stärken, und wir brauchen Menschen, die den Wert einer solchen Gesellschaft erkennen und tragende, aber auch stets hinterfragende Stützen dieser Gesellschaft sind, und zwar auf dem gesamten Globus, für alle Menschen", und dann die Frage stellen (Zitat) "Ist die schlichte Forderung nach Menschlichkeit naiv?", dann muß ich diese aufgrund meiner Lebenserfahrung leider bejahen. Ich schrieb ja bereits, daß die regelmäßigen Diskussionsteilnehmer in diesem Forum sicherlich das Ihrige tun, aber (Achtung: Satire!) wenn ich mich so auf den Bahnhofsvorplätzen umschaue (ich bin privat sehr viel mit der Bahn (!) unterwegs), kommen mir doch starke Zweifel, ob die Vernunft, das Wissen und die Einsicht der meisten meiner Mitmenschen zur Schaffung einer wirklich humanistisch ausgerichteten Gesellschaft ausreichen.
Daß die Würde des Menschen unantastbar ist (sein soll!) unterschreibe ich mit meinem Herzblut, und Sie können - diesen Eindruck dürften Sie inzwischen von mir gewonnen haben - auch sicher sein, daß ich jede Forderung in diese Richtung unterstütze, aber die Realität sieht halt anders aus. Eine Bewußtseins- und damit Verhaltensänderung einer ganzen Gattung (selbst wenn sie vernunftbegabt ist) nimmt dummerweise Jahrhunderte, wenn nicht gar Jahrtausende in Anspruch, und ob wir diese Zeit noch haben, wage ich zu bezweifeln. Wie sagte HvD: "Wir haben nur die Wahl durch Vernunft zu lernen oder durch Katastrophen belehrt zu werden." Trotz meines angeborenen (?) Optimismus fürchte ich, daß die Katastrophen schneller eintreten als das vernünftige Verhalten aller Menschen.
Ich habe übrigens, als ich kürzlich mal wieder im Sendegebiet war, einen interessanten Beitrag im Radio gehört (WDR5, Kulturmagazin Scala, 10. Mai 2010), in dem es genau um so eine Bewußtseinsänderung ging, ganz aktuell auf die sogenannte Finanzkrise und das Thema Wirtschaftswachstum bezogen. Die vollständige Sendung (55 Minuten) können Sie hier nachhören: www.wdr5.de/nachhoeren/scala.html. Weil ich aber nicht weiß, wie lange der WDR seine Sendungen im Internet vorhält, habe ich den relevanten Auszug (ca. 12 Minuten) für alle Forumsbesucher auf meinen eigenen Server geladen: www.hbgl.net/wdr5_scala_10.05.2010.mp3. Damit ich jedoch keinen Ärger mit dem Urheberrecht bekomme, werde ich ihn am Mittwoch, den 19. Mai 2010) wieder löschen.
HB