Abgeschickt von Helmut Pfeifer am 03 Oktober, 2008 um 22:41:00
Antwort auf: Re: Ist Simulation des Urknalls möglich? von Henry Grimmer am 29 September, 2008 um 16:38:57:
: Sehr geehrter Herr Grimmer,
S.g. Forumsteilnehmer,
Danke für Ihren konstruktiven und sachkundigen Beitrag.
Natürlich ist diese provokante Frage nicht zu beantworten, aber ich habe sie absichtlich gestellt, nachdem einige Medien in Österreich aus Unkenntnis eine solche Behauptung formuliert hatten.
Nun zu Ihren Ausführungen, denen ich größtenteils zustimmen möchte. Eine Ausnahme betrifft Ihr erstes statement, wonach "niemand etwas über den Urknall weiss und es keine seriöse(!) Theirie gibt, die uns den Urknall erklärt." ( Zitatende) Dem muss ich widersprechen und ich glaube, ich habe den Großteil der damit befassten Wissenschaftler hinter mir.
Zum Beispiel möchte ich Steven Weinberg zitieren. Er schreibt im Vorwort seines erstmals 1977 erschienenen Buches "Die ersten drei Minuten" folgendes:
"...Gerade in den letzten zehn Jahren hat sich eine detaillierte Theorie über den Ablauf der Ereignisse in den Anfängen des Universums als sogenanntes "Standardmodell" weitgehend durchgesetzt. Es ist etwas Bemerkenswertes, dass man jetzt sagen kann, wie das Universum am Ende der ersten Sekunde, der ersten Minute....beschaffen war. Was die Physiker begeistert, ist die Möglichkeit,...sagen zu können, dass die Temperatur, die Dichte und die chemische Zusammensetzung des Universums zu dem und dem Zeitpunkt die und die Werte hatte.
Er räumt aber schon ein, dass die absolute Gewissheit fehle,aber es sei "aufregend", überhaupt sich mit einer gewissen Verlässlichkeit über derartige Dinge äussern zu können. Soweit St. Weinberg als "eine" Stimme von vielen.
Aber ich muss schon sagen, dass an der Bezeichnung "Urknall" ziemlich alles irreführend ist! Aber ich kenne keine Alternative. Auch das englische "Big Bang" ist nicht viel besser!
Ich bin auch nicht Ihrer Meinung, dass populärwissenschaftliche Bücher eine Art "science fiction" Szenario vermittelt, das den Leser mit Abenteuer Geschichten fesseln möchte. Oder habe ich Sie da falsch verstanden?
Dass die Planck-Zeit richtigerweise zusammen mit der Planck-Länge definiert wird, habe ich deshalb nicht erwähnt, weil ich es in diesem Zusammenhang als nicht wichtig befunden habe. Aber es ist richtig: Es ist die Zeit,welche das Licht benötigt, um die Planck-Länge zurückzulegen.
Bezüglich Ihrer Aussage, dass es unmöglich sei, den Urknall begrifflich zu beschreiben, gebe ich Ihnen nur teilweise Recht und zwar nur in dem, was die allerersten Bruchteile von Sekunden betrifft und vor allem, was den "Auslöser" angeht. Das heisst also, die Schaffung von Zeit, Raum und Materie aus dem "Nichts", das Sie als "raum- und zeitloses "Etwas " beschreiben. Diese Schwelle, wo aus dem "Nichts" ein "Etwas" wird und damit einen einizartigen "Zustand" darstellt, habe ich Singularität bezeichnet. Sie kann, wie Sie richtig sagen, nur durch die abstrakte Sprache der Mathematik wirklich sinnvoll beschrieben werden. Unsere Alltagssprache ist dazu nicht geeignet.
Schon der Hl. Augustinus erkannte ganz richtig, dass das Universum nicht "in" der Zeit, sondern "mit" der Zeit geschaffen worden ist.
Zeit und Raum, die nach der Einsteinschen speziellen Rel.TH. die Voraussetzung für alle physikalischen Vorgänge sind, kamen erst danach.
Das selbe gilt auch für die Kausalbegriffe Ursache- Wirkung, welche beim Urknall nicht zur Anwendung kommen können, weil erstere in einem Bereich liegen würde, der nicht vorhanden war!
Es ist aber eine Tatsache, dass die ersten Bruchteile von Sekunden am schwersten zu rekonstuieren sind. Man spricht von einer "Unzahl kernenergetischer Prozesse in unfassbar kurzer Zeit". Vorhanden war zunächst nur Strahlung und Energie- da gebe ich Ihnen auch Recht.
Vielleicht existiert zwischen uns ein Auffassungsunterschied was die Dauer des Urknalls betrifft. Ich gehe diesbezüglich von etwa drei Minuten aus, möchte mich aber nicht dezidiert darauf festlegen.
Die zeitlichen und räumlichen Dimensionen sind nicht nur "irritierend, sondern für die menschliche Vorstellung absolut unanschaulich!
Zum Phänomen Schwarzes Loch: Wir haben dieses Thema schon mal kurz behandelt. Ich habe am 22.5. und am 28.5 einen Beitrag geschrieben. Interessant ist auch die Antwort von Hrn. Keil vom 1.6.08, worin er auf die Möglichkeit hinweist, wie ein Schwarzes Loch noch entstehen könne, nämlich durch Protonenkollisionen, wie sie in diesem Umfang in Genf geplant sind. Versuche dieser Art, allerdings in einem kleineren Rahmen, werden ja schon seit langem durchgeführt! Daher rührt wahrscheinlich die Angst gewisser Kreise, die ich nicht teile. Stephen Hawking weist allerdings schon auf "Begleitumstände" hin, welche theoretisch auftreten könnten, wenn ein Schwarzes Loch "zerfällt". Es ist aber anzunehmen, dass die bei CERN auftretenden Schwarzen Löcher eher unter die Kategorie "Quantenfluktuationen" fallen und somit keine Gefahr darstellen werden.
Zuletzt zu der Frage, warum Materie "Masse" hat, also ein "Gewicht" besitzt. Ist das zu wissen, wirklich so wichtig? Diesbezüglich fehlt mir das Wissen über diese ominösen "Higgs-Teilchen". Sind das Verwandte der Quarks?
Ich frage, was würde sich durch diese Erkenntnis in der modernen Physik gravierend ändern?
Handelt es sich dabei nicht um ein Naturgesetz, das wir, wie die anderen auch, zu akzeptieren haben?
Es gibt bekanntlich etliche "Warum" Fragen, die nicht zu beantworten sind und deshalb von der Wissenschaft nicht mehr hinterfragt werden können.
So gesehen, frage ich mich, ob der riesige Aufwand bei CERN wirklich gerechtfertigt ist!
Mit freundlichen Grüßen
Helmut Pfeifer