Re: Ist Simulation des Urknalls möglich?


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Abgeschickt von Henry Grimmer am 24 Oktober, 2008 um 16:13:19

Antwort auf: Re: Ist Simulation des Urknalls möglich? von Helmut Pfeifer am 03 Oktober, 2008 um 22:41:00:

: : Sehr geehrter Herr Grimmer,
: S.g. Forumsteilnehmer,

: Danke für Ihren konstruktiven und sachkundigen Beitrag.
: Natürlich ist diese provokante Frage nicht zu beantworten, aber ich habe sie absichtlich gestellt, nachdem einige Medien in Österreich aus Unkenntnis eine solche Behauptung formuliert hatten.
: Nun zu Ihren Ausführungen, denen ich größtenteils zustimmen möchte. Eine Ausnahme betrifft Ihr erstes statement, wonach "niemand etwas über den Urknall weiss und es keine seriöse(!) Theirie gibt, die uns den Urknall erklärt." ( Zitatende) Dem muss ich widersprechen und ich glaube, ich habe den Großteil der damit befassten Wissenschaftler hinter mir.
: Zum Beispiel möchte ich Steven Weinberg zitieren. Er schreibt im Vorwort seines erstmals 1977 erschienenen Buches "Die ersten drei Minuten" folgendes:
: "...Gerade in den letzten zehn Jahren hat sich eine detaillierte Theorie über den Ablauf der Ereignisse in den Anfängen des Universums als sogenanntes "Standardmodell" weitgehend durchgesetzt. Es ist etwas Bemerkenswertes, dass man jetzt sagen kann, wie das Universum am Ende der ersten Sekunde, der ersten Minute....beschaffen war. Was die Physiker begeistert, ist die Möglichkeit,...sagen zu können, dass die Temperatur, die Dichte und die chemische Zusammensetzung des Universums zu dem und dem Zeitpunkt die und die Werte hatte.
: Er räumt aber schon ein, dass die absolute Gewissheit fehle,aber es sei "aufregend", überhaupt sich mit einer gewissen Verlässlichkeit über derartige Dinge äussern zu können. Soweit St. Weinberg als "eine" Stimme von vielen.
: Aber ich muss schon sagen, dass an der Bezeichnung "Urknall" ziemlich alles irreführend ist! Aber ich kenne keine Alternative. Auch das englische "Big Bang" ist nicht viel besser!
: Ich bin auch nicht Ihrer Meinung, dass populärwissenschaftliche Bücher eine Art "science fiction" Szenario vermittelt, das den Leser mit Abenteuer Geschichten fesseln möchte. Oder habe ich Sie da falsch verstanden?

: Dass die Planck-Zeit richtigerweise zusammen mit der Planck-Länge definiert wird, habe ich deshalb nicht erwähnt, weil ich es in diesem Zusammenhang als nicht wichtig befunden habe. Aber es ist richtig: Es ist die Zeit,welche das Licht benötigt, um die Planck-Länge zurückzulegen.
: Bezüglich Ihrer Aussage, dass es unmöglich sei, den Urknall begrifflich zu beschreiben, gebe ich Ihnen nur teilweise Recht und zwar nur in dem, was die allerersten Bruchteile von Sekunden betrifft und vor allem, was den "Auslöser" angeht. Das heisst also, die Schaffung von Zeit, Raum und Materie aus dem "Nichts", das Sie als "raum- und zeitloses "Etwas " beschreiben. Diese Schwelle, wo aus dem "Nichts" ein "Etwas" wird und damit einen einizartigen "Zustand" darstellt, habe ich Singularität bezeichnet. Sie kann, wie Sie richtig sagen, nur durch die abstrakte Sprache der Mathematik wirklich sinnvoll beschrieben werden. Unsere Alltagssprache ist dazu nicht geeignet.

: Schon der Hl. Augustinus erkannte ganz richtig, dass das Universum nicht "in" der Zeit, sondern "mit" der Zeit geschaffen worden ist.
: Zeit und Raum, die nach der Einsteinschen speziellen Rel.TH. die Voraussetzung für alle physikalischen Vorgänge sind, kamen erst danach.
: Das selbe gilt auch für die Kausalbegriffe Ursache- Wirkung, welche beim Urknall nicht zur Anwendung kommen können, weil erstere in einem Bereich liegen würde, der nicht vorhanden war!
: Es ist aber eine Tatsache, dass die ersten Bruchteile von Sekunden am schwersten zu rekonstuieren sind. Man spricht von einer "Unzahl kernenergetischer Prozesse in unfassbar kurzer Zeit". Vorhanden war zunächst nur Strahlung und Energie- da gebe ich Ihnen auch Recht.
: Vielleicht existiert zwischen uns ein Auffassungsunterschied was die Dauer des Urknalls betrifft. Ich gehe diesbezüglich von etwa drei Minuten aus, möchte mich aber nicht dezidiert darauf festlegen.
: Die zeitlichen und räumlichen Dimensionen sind nicht nur "irritierend, sondern für die menschliche Vorstellung absolut unanschaulich!

: Zum Phänomen Schwarzes Loch: Wir haben dieses Thema schon mal kurz behandelt. Ich habe am 22.5. und am 28.5 einen Beitrag geschrieben. Interessant ist auch die Antwort von Hrn. Keil vom 1.6.08, worin er auf die Möglichkeit hinweist, wie ein Schwarzes Loch noch entstehen könne, nämlich durch Protonenkollisionen, wie sie in diesem Umfang in Genf geplant sind. Versuche dieser Art, allerdings in einem kleineren Rahmen, werden ja schon seit langem durchgeführt! Daher rührt wahrscheinlich die Angst gewisser Kreise, die ich nicht teile. Stephen Hawking weist allerdings schon auf "Begleitumstände" hin, welche theoretisch auftreten könnten, wenn ein Schwarzes Loch "zerfällt". Es ist aber anzunehmen, dass die bei CERN auftretenden Schwarzen Löcher eher unter die Kategorie "Quantenfluktuationen" fallen und somit keine Gefahr darstellen werden.

: Zuletzt zu der Frage, warum Materie "Masse" hat, also ein "Gewicht" besitzt. Ist das zu wissen, wirklich so wichtig? Diesbezüglich fehlt mir das Wissen über diese ominösen "Higgs-Teilchen". Sind das Verwandte der Quarks?
: Ich frage, was würde sich durch diese Erkenntnis in der modernen Physik gravierend ändern?
: Handelt es sich dabei nicht um ein Naturgesetz, das wir, wie die anderen auch, zu akzeptieren haben?
: Es gibt bekanntlich etliche "Warum" Fragen, die nicht zu beantworten sind und deshalb von der Wissenschaft nicht mehr hinterfragt werden können.
: So gesehen, frage ich mich, ob der riesige Aufwand bei CERN wirklich gerechtfertigt ist!

: Mit freundlichen Grüßen

: Helmut Pfeifer

Hallo, Herr Pfeifer!

Urknall finde ich aber ganz passend, sogar noch passender als „Big Bang“. Na ja, ist wohl Geschmacksache.

Dem Zitat von Steven Weinberg stimme ich voll und ganz zu, es ist doch genau das, was ich auch sage, er spricht von den ersten drei Minuten der Existenz des Kosmos, mithin nicht vom Urknall (ich kenne diese seine Veröffentlichung). Es sei denn, man wolle den Urknall als innerhalb des Alls definieren, womit wir dann im Übrigen noch im Geschehen drin wären ( dazu Ihr Zitat: „Vielleicht existiert zwischen uns ein Auffassungsunterschied was die Dauer des Urknalls betrifft. Ich gehe diesbezüglich von etwa drei Minuten aus, möchte mich aber nicht dezidiert darauf festlegen“) Zitat Ende.


Als Überlegung möge irgendeine Explosion herhalten, die einer Handgranate, einer Gasleitung, einer Atombombe, einer Supernova, letztlich völlig gleichgültig.

Man kann – zumindest im Prinzip – aus all den kleinen Splitterchen, aus der deformierten Umgebung, aus der entstandenen Gaswolke rekonstruieren, wie die Explosion verlaufen ist und – das ist das Entscheidende – man kann auf ihre Ursache schließen, z B. einen Stern im Endstadium, die Kettenreaktion des Urans/Plutoniums, eine defekte Gasleitung in Verbindung mit einem Lichtschalter. Das heißt, man findet eine Gesetzmäßigkeit, eine Voraussetzung. All das, was in die Explosion eingebunden ist, kennen wir, ist Materie und Energie.

Wenn wir aber mit den Splittern des Alls – Sterne, Galaxien, Gashaufen usw. – in entsprechender Weise verfahren, kommen wir an den Punkt, hinter dem nichts mehr bekannt ist, hinter dem Raum und Zeit aufgelöst sind, wir kommen in die völlige Voraussetzungslosigkeit, die völlige Zufälligkeit von Quantenfluktuationen, ins Vakuum – aber nicht das Vakuum des uns umgebenden Raums, zwischen den Sternen, ein Vakuum ohne Raum, wieder eine Unvorstellbarkeit.

Ich stimme auch darin mit Weinberg überein, dass wir letztlich niemals Gewissheit haben werden, ob unsere Theorien tatsächlich die Wirklichkeit beschreiben, oder ob sie nur (teilweise schon extrem genau) zufällige Übereinstimmungen sind, schließlich sind diese Theorien rein mathematische Modelle. Die Voraussagefähigkeit und die durch Experimente bestätigten Modelle sind allerdings verblüffend.

Ihr Zitat: „…was die allerersten Bruchteile von Sekunden betrifft und vor allem, was den "Auslöser" angeht … „ Zitat Ende.

Hier habe Sie mich völlig missverstanden, denn mir geht es nicht um die ersten Bruchteile von Sekunden, sondern einzig und allein um den „Auslöser“, der vor den allerersten Bruchteilen von Sekunden, vor der Zeit liegt, vor allem, was (in unserem Universum) ist. Denn wenn es richtig ist, dass Raum und Zeit als Folge des Urknalls erst entstanden, kann er selbst nicht Bestandteil von Raum und Zeit sein, er ist ursachen-los, a-kausal.

Im Großen und Ganzen liegt das Missverständnis sicher darin, das ich mich auf die „erste Ursache“ beziehe, die außerhalb von Raum und Zeit liegen MUSS.

Den Hl. Augustinus möchte ich nicht kommentieren, weise aber darauf hin, dass er mit großer Wahrscheinlichkeit nicht in naturwissenschaftlichen Bahnen dachte, sondern dass sein Anliegen ein rein religiöses war; die Unterscheidung ist eine Einsicht der Neuzeit.

Zitat: „Zeit und Raum, die nach der Einsteinschen speziellen Rel.TH. die Voraussetzung für alle physikalischen Vorgänge sind, kamen erst danach.“ Zitat Ende

Die spez. Relativitätstheorie ist in obigem Sinne keine Kosmologie, Einstein war Anhänger des Stady-State-Universe und hat die Idee eines sich ausdehnenden Kosmos strikt abgelehnt, weshalb er in seine allg. Rel. Theorie die berühmte „Kosmologische Konstante“ einführte und dies später – nachdem offensichtlich war, dass das Universum sich tatsächlich ausdehnt – als „größte Eselei“ seines Lebens bezeichnete. Was er uns in seiner spez. Rel. Theorie vermittelte war nicht, das Raum und Zeit Voraussetzungen für alles sind, sondern dass man beide nicht mehr getrennt betrachten kann, dass sie eine Einheit bilden; diese Folgerung ergab sich aus der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit. Man kann Einstein auch so verstehen, dass er sagt. ALLES bewegt sich immer mit Lichtgeschwindigkeit, nur der Anteil, der auf den Raum bzw. auf die Zeit fällt, ist unterschiedlich; deshalb bewegt sich ein Photon nur durch den Raum und nicht durch die Zeit, es „altert“ nicht, und zwar, weil es keine Masse hat.

Was mich auf das Higgs-Teilchen bringt. Vorab: dem Missverständnis begegnet man häufig, dass nämlich Masse mit Gewicht gleichgesetzt wird, es kann aber ein Objekt sehr wohl Masse und gleichzeitig kein Gewicht haben, nämlich wenn es keiner Gravitation bzw. Beschleunigung ausgesetzt ist.

Ob das Higgs-Teilchen mit den Quarks verwandt ist? Ich weiß nicht, ob man die Frage so stellen kann. Falls es stimmt, dass sich alles bei aberwitzig hohen Temperaturen vereinigt, dass alles Energie wird (oder besser: war), dann sind diese Teilchen sicher verwandt, ansonsten unterscheiden sie sich aber in vielerlei Hinsicht. Ob sie die moderne Physik verändern würden? Aber ja, nämlich dann, wenn sich herausstellt, dass es sie nicht gibt, das würde die moderne Physik in den Grundfesten erschüttern.

Im Übrigen fällt mir hier ein, dass ich bei dem kurzen Diskurs über Singularitäten eine vergessen habe, nämlich diejenige, die auftritt (wiederum rein mathematisch!), wenn man sich den Elementarteilchen in der Beobachtung (Messung) nähert.

Warum Materie Masse hat? Ob es ein Naturgesetz ist oder nicht ist ja genau die Frage!

Aber die Frage, ob das Higgs-Teilchen wichtig ist? Sind die Naturwissenschaften wichtig? Ist Erkenntnis wichtig? Sicher kann man darüber geteilter Meinung sein; ich bin davon überzeugt, dass Menschen nach Erkenntnis streben müssen, weil sie der Frage nach dem „Warum“ nicht ausweichen können. Auch ich möchte wissen, „was die Welt im Innersten zusammenhält“.

Wenn Sie, Herr Pfeifer, die Transzendenz ansprechen, tun Sie nichts anderes. Wenn ich Sie richtig interpretiere, glauben Sie an einen Bereich jenseits unserer materiellen Welt, vielleicht ist dieser Bereich für Sie sogar „realer“ als die „diesseitige“ Welt, auf jeden Fall aber haben Sie sich mit unserem Dasein beschäftigt, Sie streben ebenfalls nach Erkenntnis. Ich halte den Weg, die Welt von der Glaubensseite her verstehen zu wollen, für völlig legitim. Ja, ich bin der Überzeugung, dass der Mensch Glauben braucht. Wobei ich „glauben“ in weiterem Sinne meine als religiös auf einen (Schöpfer-)Gott bezogen, ich glaube, das die Existenz in ein größeres „Sein“ eingebettet ist, aber ich bin auch der Überzeugung, dass eine Diskussion über die Naturwissenschaften ohne Transzendenz auskommen muss.

Mit freundlichen Grüßen

Henry Grimmer





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